Nachdem ich in den vergangenen Jahren im privaten und beruflichen Umfeld so häufig auf diese Kolumne und ihre Thematik angesprochen wurde, wird es Zeit für eine Fortsetzung von „Und, was macht die Kinderplanung?„.
Drei Jahre später …. Ich bin mittlerweile 34 Jahre alt, seit 16 Jahren mit dem Mann zusammen, mit dem ich mein ganzes Leben verbringen möchte, seit fast acht Jahren sehr glücklich verheiratet . Alles passt, und dennoch planen Chris und ich unsere Zukunft ohne eigene Kinder. Zum jetzigen Zeitpunkt (und höchstwahrscheinlich endgültig) haben wir uns dagegen entschieden, Kinder zu bekommen.
Chris und ich sind glücklich mit dem Weg, den wir für uns gewählt haben. Zugegeben, momentan macht uns Corona in einigen für unser Leben sehr wichtigen Punkten einen großen Strich durch die Rechnung. Aber da sitzen wir ja alle in einem Boot. Wir freuen uns so umso mehr, irgendwann in nicht allzu ferner Zukunft wieder „unser Leben“ leben zu dürfen und in den kommenden Jahren lang gehegte Träume für unsere gemeinsame Zukunft zu erfüllen. Unser individueller Lebensweg, auf dessen Bucket List noch viele Wünsche stehen. Und weil ich weiß, dass ich damit nicht alleine dastehe, möchte ich meine Gedanken heute laut aussprechen und mit euch teilen.
Obwohl wir happy mit unserem Lebensentwurf sind und das auch ausstrahlen, wird uns seit Jahren immer und immer und immer wieder von anderen Menschen das Gefühl gegeben, dass das „ja noch nicht alles gewesen sein kann“. Genauer gesagt mir als Frau. Denn irgendwie gehen übergriffige Aussagen bzgl. der Kinderplanung meist an uns Frauen. So wird mir immer wieder subtil – oder aber so richtig „in your face“ – das Gefühl gegeben, dass mein Leben erst so richtig erfüllt sein wird, wenn Chris und ich ein eigenes Kind haben werden. Wenn ich dieses Thema auf Social Media verfolge, dann fällt oft auf, dass manche Frauen mit Kindern richtig wütend werden und sich persönlich angegriffen fühlen, wenn eine andere Frau die Aussage trifft, keinen Kinderwunsch zu verspüren.
Wenn ich in den letzen Jahren nach meinen Kinderplänen gefragt wurde, fing ich meist an, von meinem großen Wunsch nach einem Hundekind zu sprechen, um auf lockere Art von dem nicht selten eine negative Stimmung erzeugenden Thema abzulenken. Der Hundekinderwunsch ist bekanntlich seit ein paar Monaten erfüllt und wisst ihr was? Nein, das war kein „zuerst der Hund, dann das Kind“. Das war ein „Wir haben uns endlich den großen Hundewunsch erfüllt und jetzt ist die kleine Familie komplett.“
Und hier möchte ich zu einer Aussage kommen, die in diesem Zusammenhang immer wieder im Raum steht: die Entscheidung „Kind oder Karriere“. Eine Entscheidung gegen ein Kind ist bei einer in ihrem Job erfolgreichen, selbstbestimmten Frau in den Köpfen von viel zu vielen Menschen die Entscheidung für die Karriere. „Privates Glück“ versus „beruflicher Erfolg“. Nur Schwarz und Weiß. Dass ein Kind auch unabhängig von der beruflichen Karriere nicht in der Lebensplanung vorkommt, ist für viele unvorstellbar.
Für mich stand das private Glück schon immer über dem beruflichen Erfolg. Umso schöner, wenn beides Hand in Hand gehen kann so wie bei der Gestaltung unseres Jobs. Hätten wir einen Kinderwunsch, so würde dieser selbstverständlich vor der Karriere stehen und wir würden unseren weiteren beruflichen Weg bestmöglich daran anpassen.
„Kein Kind zu bekommen ist egoistisch“
Und hier wären wir auch schon beim nächsten Vorwurf, den man als kinderlose Frau im gebärfähigen Alter bekommt. Egoismus. Ein böses Wort. Aber ja, das wird bewusst kinderlosen Paaren und insbesondere uns Frauen gerne mal unterstellt. Dem gegenüber steht, dass bewiesenermaßen das größte Problem der Erde die Überbevölkerung ist. Als kinderloser Mensch trägt man nichts zum weiteren Bevölkerungswachstum bei.
Bitte versteht mich nicht falsch: Sich für Kinder und eine eigene Familie zu entscheiden ist das Natürlichste der Welt und ich kann zu 100% verstehen, wenn man sich den eigenen Kinderwunsch erfüllt. Ich weiß, dass die Entscheidung von Chris und mir eher Ausnahme statt Regel ist. Und ich freue mich so, so sehr mit meinen Freundinnen mit, wenn sie mir freudestrahlend von ihrer Schwangerschaft erzählen. Ich verstehe jeden, der sich aus einem individuellen Wunsch heraus für eigene Kinder entscheidet. Und seien wir mal ganz ehrlich: ein Kind zu bekommen ist eine Entscheidung für das eigene Leben. Ein Wunsch, den man sich für sich und den Partner erfüllt. Sowohl die Entscheidung für als auch gegen ein Kind ist individuell und kann von bösen Zungen somit als „egoistisch“ bezeichnet werden.
Ich bin gewiss niemand von der Kategorie „Ich kann mit Kindern gar nichts anfangen“, und erst recht niemand „der Kinder nicht mag“. Ich glaube, ich kann sogar ganz gut mit Kindern. Chris zählt by the way zu denjenigen, die von kleinen Kindern oftmals angehimmelt werden und kann sogar ausgesprochen gut mit den Kindern in unserem Umfeld. Wir sind Mitte 30, logischerweise gibt es mittlerweile viele Kinder in unserem Freundes- und Bekanntenkreis. Die Kinder in unserem Umfeld bedeuten mir viel und mir ist es bei engen Freunden auch sehr wichtig, ein gutes Verhältnis zu ihren Kindern zu haben. Nichtsdestotrotz änderte sich auch durch die vielen Kinder in unserem Freundeskreis nichts daran, dass wir uns für unsere kleine Familie kein eigenes Kind wünschen.
Wir selbst sind mit dieser Entscheidung zu 100% im Reinen, aber für viele Menschen ist so verdammt schwer zu verstehen, dass man den Sinn des Lebens nicht in der eigenen Fortpflanzung sieht. Nein, ich kann nicht sagen, was in drei oder fünf Jahren sein wird, ob unsere Entscheidung dann doch noch einmal wackeln sollte oder ob sie für immer und ewig in Stein gemeißelt sein wird. Aber aktuell können wir uns nicht vorstellen, jemals ein eigenes Kind zu bekommen, und planen somit unsere Zukunft nur zu zweit (und hoffentlich für viele, viele gemeinsame Jahre mit Fiete).
„Aber im Alter werdet ihr es bereuen!“
… haben wir schon des Öfteren gehört. Keine Kinder = einsam im Alter. Was ist das überhaupt für ein Argument, dass man Kinder haben MUSS, damit man im Alter nicht alleine ist?! Ganz ehrlich? Ich kenne so, so viele Fälle, in denen Familien zerstritten sind, Kinder zu ihren Eltern keinen Kontakt mehr haben. Ja, es gibt die Paare, die Jahre später bereuen, keine Kinder bekommen zu haben. Aber wie verrückt wäre es, ein Kind zu bekommen, obwohl wir uns keines wünschen, damit wir das auf gar keinen Fall bereuen werden? Aber am allerschlimmsten finde ich das Argument, dass man als Kinderloser das Rentensystem ruinieren würde und dass die Entscheidung gegen ein Kind aus diesem Grund egoistisch sei. Hand aufs Herz: hat irgendjemand von euch sein Kind bekommen, ausschließlich um etwas für unser Sozialsystem zu tun? Mal abgesehen davon, dass die gesetzliche Rente nicht das Modell der Zukunft ist und Chris und ich unsere Altersvorsorge sowieso primär anders planen.
Einerseits wird von der Gesellschaft aktuell stets gefordert, mehr auf die eigenen Bedürfnisse zu hören. Das eigene Leben so zu gestalten, wie man sich selbst damit wohl fühlt und dabei immer auch die von anderen Menschen gewählten Lebensentwürfe zu akzeptieren. Andererseits wird Egoismus unterstellt, wenn man eine individuelle Entscheidung trifft, die nur das eigene Leben betrifft und niemandem schadet. Wo bleibt die aktuell immer und überall gepredigte Toleranz, wenn es um einen Lebensentwurf geht, bei dem eigene Kinder keine Rolle spielen?
Natürlich sind Kinder für viele Menschen die absolute Erfüllung und machen das Lebensglück perfekt. Aber warum wird die Entscheidung für Kinder und die damit entstehende Familie pauschal immer nur so romantisiert? Ich kenne viele Beziehungen, die letztendlich an den Kindern zerbrochen sind. Es gibt auch Menschen, die ihre „für ein Kind“-Entscheidung bereut haben. Dennoch wird immer wieder von so vielen Menschen suggeriert, dass es nur Schwarz und Weiß gibt, nur „bedingungsloses Glück mit Kindern“ und „Frustriert im Alter, da man sich gegen Kinder entschieden hat“. Dabei liegen doch unzählige Nuancen dazwischen.
Es ist nicht immer nur die „Kind oder Karriere“-Entscheidung, wenn man kinderlos bleibt, sondern manchmal auch einfach eine Entscheidung für das individuelle Lebensglück, das für die eine Frau anders aussieht als für die andere. Auch das muss in unserer Gesellschaft akzeptiert werden. Punkt.
PS: eine sehr, sehr interessante und ehrliche Kolumne zum Thema „Muttersein“ hat übrigens vor kurzem Nike von This is Jane Wayne, Mutter eines kleinen Sohnes, geschrieben.
PPS: Falls ihr Zeit habt, lest euch unbedingt die ausführlichen Kommentare (das Vielfache davon kommt seit drei Jahren by the way in Form von privaten Nachrichten) zu „Und, was macht die Kinderplanung?“ durch. So viele lesenswerte Texte!