Vor kurzem saßen Chris und ich in einem Restaurant auf Bali. Ein sehr fotogenes Bar-Beachclub-Palmen-Pool-und-hübsche-Details-Restaurant. Sehr „instagrammable“, sozusagen. Direkt neben uns saß eine Gruppe Teenies. Alle so um die 15 Jahre alt, würde ich schätzen. So wirklich „sitzen“ kann man das eigentlich nicht nennen, denn die fünf Jungs und Mädels flitzten die ganze Zeit hin und her, checkten jede erdenkliche Foto-Location aus, fotografierten sich non stop gegenseitig und saßen in kurzen Pausen vor den Pommes, um wild auf dem Smartphone herum zu tippen und Bilder auszuwählen. Gespräche? Nee, die gab es nicht. Aber im Nachhinein tauchen sicherlich zahlreiche „Wir hatten so viel Spaß zusammen“-Postings auf Instagram auf. Und genau hier kommen wir zu einem springenden Punkt.
Das Fotografieren und Teilen via Instagram bzw. Insta Stories ist schon lange nicht mehr nur eine schöne Möglichkeit, Follower oder im Falle der meisten Teenager ihre Freunde überall mit hinzunehmen, nein, es ist für viele junge Menschen sogar DAS Event an sich.
Es geht nicht nur darum Spaß zu haben, sondern zu zeigen, dass man Spaß hat.
Und manchmal, ja manchmal wird dieser Spaß sogar nur inszeniert. Wie bei besagten Teenies am Nebentisch. In der Stunde, in der wir sie beobachteten, gab es keinen einzigen Moment, in dem ich eine richtige Konversation mitbekam. Kein herzliches Lachen, keine echte Freude über die Situation, gerade zusammen in einem schönen Restaurant auf Bali zu sein. Sondern lediglich hunderte inszenierte Bilder, die diesen Moment festhalten sollten. Ohne dass dieser Moment wirklich passiert ist.
Anschließend wird das Foto mit der Caption „so much fun with my besties“ versehen, und dabei gab es in Wirklichkeit keinerlei Fun, sondern nur verbissenes Posen. Und wofür? Für Aufmerksamkeit in Form von Likes, von meist völlig unbekannten Menschen. Dabei wäre doch eine schöne entspannte Stunde mit den liebsten Freunden so viel wünschenswerter. Gute Gespräche, gemeinsames Lachen und das Smartphone in der Handtasche. Doch noch schlimmer als das „selbst teilen“, ist doch, dass man mit guten Freunden zusammensitzt (Ja, hier fasse ich mir auch an die eigene Nase, denn ab und an ertappe ich mich auch dabei) und währendessen durch den Instagram-Feed scrollt und schaut „was die anderen so machen“. Dabei ist das Hier und Jetzt mit den Lieblingsmenschen doch das einzig wirklich Relevante.
Doch zurück zum perfekten Instagrambild, das insbesondere an einem schönen Ort wie Bali für viele eine immens wichtige Rolle einnimmt. Nicht mehr nur bei Influencern – wobei mittlerweile gefühlt jedes zweite junge Mädchen ein Influencer ist – auch bei den meisten anderen jungen Menschen. Die sogenannten Millennials (rund um die Jahrtausendwende geboren) sind sicherlich das Extrem – die Spitze des Social Media Eisberges. Aber auch wir Kids der Achtziger (und sogar die Generation darüber) zücken doch meist sofort das Smartphone, wenn etwas Spannendes passiert.
Hat man etwas denn nur erlebt, wenn man es auch auf Social Media geteilt hat? Ist etwas wirklich passiert, wenn es keine Fotos davon gibt?
Auch ich habe mich primär aus beruflichen Gründen schon oft dabei ertappt, wie ich dachte „Ich möchte da hin, da kann man ein tolles Foto machen!“ Nicht an erster Stelle, weil etwas besonders toll ist, sondern weil man dort ein besonders tolles Foto machen kann. Und nachdem ich in den letzten beiden Wochen das erste Mal seit sehr langer Zeit ausschließlich „privat“ unterwegs war, muss ich offen und ehrlich sagen, dass ich mich von diesen Gedanken sehr weit distanziert habe. Ich bin auch sonst niemand, der alles auf Insta Stories teilt und halte einen Großteil meines Privatlebens auch privat. Aber auch ich habe schon einmal einen besonderen Moment eigentlich gar nicht richtig erlebt, da ich die ganze Zeit Bilder davon machte.
In den vergangenen zwei Wochen habe ich so unglaublich viel erlebt, und nur ein Bruchteil davon ist auf dem Blog und Social Media gelandet. Und das ist auch gut so. Man erlebt etwas und kann es auch mit einem schönen Schnappschuss festhalten? Unbedingt! Aber es macht so viel mehr Spaß, eine besondere Situation erst einmal mit allen Sinnen aufzusaugen und zu genießen, bevor sie in Form eines Bildes festgehalten wird.
Meist sieht das jedoch anders aus. Sofort wird das Smartphone gezückt, wenn man an einem schönen Ort ankommt, sofort muss alles festgehalten werden. Und ich beobachte mit Schrecken, mit welch einer Verbissenheit dies hier auf Bali an vielen Stellen ausgeführt wird.
Doch wo führt das alles noch hin?
Vor zehn Jahren ging es gerade einmal los, dass wir ab und an etwas mit unserem Handy fotografierten. Social Media? Da schwappte gerade dieses Facebook aus den USA rüber, und wir haben als Profilbild dieses eine schöne Bild von uns hochgeladen, das wir von irgendeiner Party hatten. Zehn Jahre später ist so unendlich viel passiert, dass man kaum glauben mag, dass so viele Dinge vor ein paar Jahren noch keinerlei Rolle in unserem Leben spielten (Über „damals“ hatte ich vor kurzem auch hier sehr ausführlich geschrieben.). Wo uns das alles in weiteren zehn Jahren hinführen wird? Ich will ehrlich sein: Ein klein bisschen Angst macht mir der Gedanke schon, dass der Peak dieses ganzen Wahnsinns noch keineswegs erreicht ist. Ob wir uns wie in der Science Fiction Serie Black Mirror nach jedem Aufeinandertreffen gegenseitig bewerten werden? Ein düsterer Gedanke, der aber gar nicht mal soooo abwegig erscheint.
Gerne würde ich den Ball mal an euch weiterspielen: Was denkt ihr, wie wird Social Media in den kommenden zehn Jahren unsere Gesellschaft verändern?