Vor ein paar Tagen bekam ich eine kritische Nachricht im Bezug auf unsere Reisen. Nicht zum ersten Mal. Der Wortlaut in etwa: „Wie kannst du es mit deinem Gewissen vereinbaren, so oft mit dem Flugzeug zu verreisen?“
Momentan ist für viele das Fernreisen das personifizierte Böse. Und ja, wir wissen alle, dass Flüge nicht gut für die Umwelt sind. Der weltweite Luftverkehr ist aktuell für etwas mehr als 2,5% der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich, der Straßenverkehr für 17%.
Hiermit möchte ich aber auch gar nicht irgendetwas rechtfertigen. Denn natürlich sind auch 2,5% viel zu viel, da gibt es nichts zu beschönigen – insbesondere da die Menge der Flugzeuge im Vergleich zu den Autos verschwindend gering ist. Natürlich konsumiere auch ich das Fliegen „nicht einfach so“, sondern mache mir meine Gedanken.
Im Vergleich macht der Flugverkehr vielleicht nur einen kleinen Teil aus, dennoch muss hier dringend baldmöglichst komplett auf erneuerbare Energien gesetzt werden. Denn diese gibt es schon.
Der Verkehr ist nur einer von vielen Faktoren. Einen riesigen Anteil an der Klimaerwärmung haben die industrielle Landwirtschaft, der maßlose Fleischkonsum und ganz besonders die Energiewirtschaft. Es gibt so viele Punkte, an denen wir – und insbesondere auch die großen Konzerne dieser Welt – ansetzen können. Und müssen.
Für viele ist der Verzicht auf Langstreckenflüge der einfache Ansatz. Wenn man nur eine große Reise im Jahr macht, dann ist das ab sofort vielleicht eher der Europa Roadtrip als die Australien-Reise.
Für viele ist dies einfach – für mich nicht. Das Reisen ist nicht nur meine größte Leidenschaft, es ist mein Job. Wir versuchen, die Zeit zwischen zwei Fernflügen immer voll auszuschöpfen, Reisen auch miteinander zu verbinden. So knüpften wir beispielsweise im letzten Jahr Australien an unseren Bali-Aufenthalt.
Und ich habe im letzten Jahr übrigens viel, viel weniger innerdeutsche und innereuropäische Flüge wahrgenommen als in den Jahren davor. 2019 habe ich mir fest vorgenommen, dies weiter zu reduzieren und wann immer es die Zeit und Situation zulässt, mit dem Zug statt dem Flugzeug zu reisen.
By the way waren es für mich als Beruflich-Reisende sieben Fernreisen (also jeweils ein Hin- und ein Rückflug) im letzten Jahr. Ja, das klingt viel. Aber für jemanden, der hauptberuflich reist ist es das nicht. Es gibt so viele Menschen, die wöchentlich für einzelne Meetings um die Welt jetten, für einen Job für zwei Tage nach Singapur, für ein einzelnes Event nach New York.
Dennoch möchte ich auch das nicht pauschal kritisieren. Klar gäbe es hier sicherlich tausende Möglichkeiten, Flüge einzusparen – aber es gibt sicherlich auch die Situationen, in denen es einfach nicht anders geht.
Für mich bedeutet Reisen nicht nur das pure Lebensglück, es ist auch mein Job, über eben diese Reisen zu informieren. Und ich würde im Leben niemals hier auf Josie loves predigen, dass all unsere Leser sieben Fernreisen im Jahr machen sollten. Das möchte ich immer und immer wieder betonen. Aber ich will euch Inspiration für die eine oder vielleicht die zwei Reisen geben, die ihr in diesem Jahr macht – egal ob nah oder fern.
Ich finde es so schwierig, jemanden pauschal aufgrund einer einzelnen Sache zu verurteilen, ihm etwas vorzuwerfen, er schere sich einen Sch*** um die Umwelt. Jeder von uns sollte aktuell etwas tun. Das ist wichtig. Und das ist das einzig Richtige. Jeder, der sich keinerlei Gedanken um Nachhaltigkeit macht und darum, welchen Beitrag er leisten kann, der ist schlicht und einfach blind und ignorant. Man sollte aber auch akzeptieren, dass jeder Mensch einen anderen Beitrag leistet.
Und dass jeder Mensch auf das eine mehr und das andere weniger verzichten kann. Das eine Paar braucht unbedingt zwei große Autos, da es anders den Alltag nicht gewuppt bekommt. Das andere Paar lebt seit Jahren ohne Auto in der Innenstadt, da es keine Lust auf die Parkplatz-Problematik hat und ganz wunderbar mit U-Bahn und Fahrrad überall hinkommt. Das heißt nicht, dass das erste Paar, das irgendwo auf dem Land lebt und viele Kilometer zum Arbeitsplatz ohne die Möglichkeit eines öffentlichen Verkehrsmittels zurücklegen muss „schlechter“ ist als die anderen.
Ich bin es aktuell so Leid, dass aus dem so unfassbar wichtigen Nachaltigkeitsthema eine Art verbissener Wettkampf geworden ist. „Ich lebe ja so viel nachhaltiger als du! Ich bin ja ein so viel besserer Mensch als du. Schäme dich!“ Oh nein, niemand ist ein besserer Mensch, wenn er jemanden anderen niedermacht.
Es wird nicht gelobt, wenn eine Person des öffentlichen Lebens zeigt, dass sie etwas Nachhaltiges macht – nein, es wird sofort draufgehauen, weil sie irgendwann einmal wagte, aus einem im Restaurant vorgesetzten Plastik-Strohhalm zu trinken. Es ist immer gleich so extrem. Und dabei denke ich mir jedes Mal aufs Neue: Ob all diese in der Kritik-Front-Row stehenden Menschen wirklich zu 100% nachhaltig leben?
Ich weiß, dass viele Blogger und Influencer dieses Thema bewusst komplett außen vor lassen, da sie es einfach Leid sind, von all den Moralaposteln sofort angegriffen zu werden. Auch ich überlege mir 100 Mal, ob ich einen Artikel zum Thema Nachhaltigkeit verfasse. Dabei sollte aktuell jeder sein Sprachrohr nutzen.
Hat überhaupt jemand ein Recht, irgendetwas am anderen (in diesem Fall oftmals wildfremden Menschen) zu kritisieren, wenn er selbst nicht zu 100% vegan lebt (das reicht natürlich noch nicht – die Produkte müssen selbstverständlich saisonal und regional sein. #avocadossindböse) und sich kein einziger Fetzen Plastik im Haushalt befindet? Wer gibt hier die Regeln vor?
Jeder muss seinen eigenen Weg finden. Wichtig ist nur, dass jeder etwas tut. Viele kleine Schritte sind zusammen große Schritte in die richtige Richtung. Und wie diese aussieht, sollten wir mittlerweile alle wissen.
Lese-Tipp: Eine weitere Kolumne zu diesem Thema hatte ich hier bereits geschrieben, im letzten Jahr hatte Carina Tipps für Nachhaltigkeit im Alltag mit euch geteilt.