Es ist mittlerweile fast vier Jahre her, dass Chris und ich uns dafür entschieden, unsere Ernährung umzustellen und komplett auf Fleisch zu verzichten. Auf unseren Reisen essen wir ab und an noch frischen Fisch, zuhause ernähren wir uns vegetarisch. Soweit, so gut. Sollte im Jahr 2023 kein großes Ding sein, nicht wahr?
Ist es leider doch, denn in gewissen Kreisen sind wir immer noch „die totalen Exoten“ und werden auch so behandelt.
Da gibt es natürlich die Social Media Bubble, in der sich überdurchschnittlich viele Menschen vegetarisch und vegan ernähren oder zumindest sehr bewusst Fleisch konsumieren. Und ja, es gibt mittlerweile immer mehr Restaurants, in denen man nicht nur die Wahl zwischen ein bis zwei vegetarischen Optionen hat, sondern wirklich aus dem Vollen schöpfen kann und eine große Auswahl geboten bekommt. Obwohl sie grundsätzlich nicht den Hauptfokus auf vegetarische Küche legen. Etwas, das uns immer extrem positiv auffällt und worüber wir uns jedes Mal total freuen. Das Schönste: Wenn auch bei klassischen Fleischgerichten automatisch in der Karte eine vegane Alternative mit Tofu, Seitan oder Co aufgelistet ist.
Und dennoch gibt es auch im Jahr 2023 immer wieder Situationen, in denen wir das Gefühl vermittelt bekommen, wir würden irgendwas falsch machen. Wir wären komisch, extrem, exotisch. Ja, es gibt nach wie vor viele Menschen, die es per se schlecht finden, wenn man auf Fleisch verzichtet. Die sich regelrecht in ihren Unmut gegen Vegetarierer und Veganer reinsteigern. Darüber hatte ich in dieser Kolumne vor ein paar Monaten ausführlicher geschrieben: „Wie vegane Würste auf der Wiesn die Gemüter erhitzen„
Ich möchte hier nicht die Moralkeule à la „Wie kann man Tiere lieben und gleichzeitig ihren Tod für den eigenen Genuss in Kauf nehmen“ schwingen. Dafür habe ich viel zu lange selbst Fleisch gegessen. Ganz so einfach ist es nicht, jahrzehntelang eingetrichterte Muster aufzubrechen. Auch wenn ich hoffe, dass in ein paar Jahrzehnten eher Fleischkonsum etwas Exotisches sein wird. Momentan sind wir noch nicht soweit. Aber doch eigentlich schon viel weiter als „Bei einem guten Essen ist Fleisch IMMER gesetzt!“
Und nun kommt noch ein zweiter Punkt, der teilweise auf noch mehr Unverständnis trifft – insbesondere in Kombination mit der vegetarischen Ernährung: Ich trinke seit einigen Monaten keinen Alkohol. Aus gesundheitlichen Gründen. Und Nein, ich bin nicht schwanger. Auch wenn das aktuell einige Leute von mir denken, da strikter Alkoholverzicht bei einer Frau im gebärfähigen Alter oftmals automatisch so gewertet wird und ich keine Lust habe, zur Aufklärung super private Details über meinen Gesundheitszustand mit Fremden zu teilen. Eigentlich total absurd, denn es gibt unzählige Gründe, warum man lieber auf Alkoholkonsum verzichten möchte oder muss.
Aber ja, für viele Menschen wird Genuss automatisch mit Alkohol und Fleisch verbunden. Und das ist auch vollkommen okay. Jeder wie er möchte und sich wohlfühlt. Punkt. Aber leider wird es oftmals nicht akzeptiert, wenn andere für sich eine alternative Ernährungsform wählen. Da wird sogar ganz gerne der Genuss abgesprochen. Denn „nur“ mit Grünzeug und ohne Alkohol kann es doch gar kein kulinarischer Genuss sein, nicht wahr? Ironie off.
Genervte oder belustigte Blicke und dumme Kommentare sind definitiv keine Seltenheit, wenn man in einem gehobenen Restaurant und Hotel sowohl auf Fleisch als auch auf Alkohol verzichtet. Es gibt sogar (gar nicht mal so wenige) Menschen, die sich persönlich angegriffen fühlen, wenn man Nein zu Steak und Co sagt. Und da sind zwei Punkte, die mich unglaublich stören. Zum einen nehmen wir ja niemandem etwas weg, wenn wir auf Fleisch und Alkohol verzichten. Im Gegenteil: Es ist mehr für andere da. Zum anderen bin ich sooo einfach glücklich zu machen. Gib mir Pasta mit Tomatensauce und eine Saftschorle und ich bin happy.
Chris trinkt by the way generell sehr wenig Alkohol und könnte hier vermutlich eine eigene, recht lange Kolumne über einen Mann in Bayern schreiben, der kein Bier mag. Apropos Kolumne. Immer noch aktuell ist diese hier: „Die Sache mit dem Alkohol …“. Noch heute bekomme ich regelmäßig Nachrichten von euch zu diesem Thema, das sehr polarisiert.
Und dann gab es diese Woche ein fantastisches Gourmet-Menü in einem Restaurant, das sonst für erstklassige Fleisch- und Fischgerichte steht. Vegetarisch, ohne dass wir einen Hauch von Extrawurst-Gefühl hatten. Auch, als wir die Weinkarte ablehnten. Sofort wurde uns ein alkoholfreier Sekt als Aperitif angeboten. Glücklich, satt und kulinarisch rundum verwöhnt verließen wir Stunden später das Restaurant. Ob die anderen Gäste mit Fleisch, Fisch und Weinbegleitung glücklicher waren? Gewiss nicht!
Einerseits passiert gerade so viel auf dem Markt. Vegane Ersatzprodukte boomen. Und immer mehr Drinks ohne Alkohol stehen auf den Getränkekarten der Bars und Restaurants. Nicht nur alkoholfreie Cocktails, sondern auch Sekt und Weine ohne Alkohol. Beispielsweise von Kolonne Null. Ich freue mich jedes Mal, wenn ich „Virgin Hugo“ und Co auf der Karte entdecke.
Und dennoch gerät man nach wie vor noch viel zu häufig in die „Ach komm schon, ein Glas Sekt geht doch!“ Situation. Als ich kürzlich im beruflichen Rahmen so penetrant Alkohol angepriesen bekam, dass ich meine gesundheitliche Situation ansprechen musste, bekam ich die Antwort „dass das aber auch wirklich der einzige Grund sei, der okay geht.“ WTF?
Abschließen möchte ich diese Kolumne mit einem Satz, den ich kürzlich las, und der mir sehr im Gedächtnis blieb: „Alkohol ist die einzige Droge, bei der du dich rechtfertigen musst, wenn du sie nicht nimmst.“ Und mit diesem Satz übergebe ich das Wort an euch. Ich bin gespannt auf eure ganz persönlichen Gedanken und Erfahrungen!