Am Wochenende hatten wir einen wunderschönen Abend mit lieben Freunden. Es wurde extrem viel gelacht und die Stimmung war sehr ausgelassen. Und das ohne einen einzigen Schluck Alkohol. Wieso wir an einem Samstagabend in netter Runde nichts Alkoholisches getrunken haben? Naja, das stand schlicht und einfach nicht zur Debatte.
Keiner von uns hatte Lust auf ein alkoholisches Getränk. Also gab es stattdessen Wasser und Softdrinks. Eigentlich nichts dabei, oder? Nun, ehrlich gesagt wäre das nicht in jeder Runde so denkbar. Oh ja, hier sind wir wieder einmal bei einem Kolumnenthema gelandet, das mich etwas Überwindung gekostet hat. Überwindung, weil dieses Thema enorm die Geister scheidet. Ein Thema, über das Chris und ich auch schon im engsten Umfeld heftig diskutiert haben. Warum? Das möchte ich euch heute erklären – und sehr gerne mit euch diskutieren.
Nicht falsch verstehen, ich liebe es, in netter Runde ein gutes Glas Wein zu trinken. Das darf auch gerne mal eine Flasche zu zweit sein. Und ich habe eine Schwäche für Champagner. Nicht an jedem Tag, aber wenn der Anlass passt und ich Lust darauf habe, dann genieße ich ein Gläschen Champagner sehr. Manchmal auch ein zweites, ein drittes und ein viertes. Aber das heißt nicht, dass in besagter „netter Runde“ automatisch getrunken werden MUSS. Zumindest von mir kann ich sagen, dass ich schlicht und einfach nicht immer Lust auf Alkohol habe. Wieso sollte ich also einen alkoholischen Drink zu mir nehmen, wenn ich viel mehr Lust auf Tee habe? Ja, ich zähle zu denjenigen, die sich beim Abendessen auch mal einen Tee bestellen. Einfach, weil es das Getränk ist, auf das ich in genau diesem Moment Lust habe.
Wenn wir auf Reisen im Süden sind, trinken Chris und ich am Abend recht selten Alkohol. Zum einen habe ich (und hier kann ich auch für meinen Mann sprechen) an einem super heißen Tag irgendwie so gar nicht das Bedürfnis, etwas zu mir zu nehmen, das mir auch noch Wasser entzieht – stattdessen trinke ich liebend gerne eine große Flasche Wasser beim Abendessen. Zum anderen kommt mein Magen mit der Hitze-Alkohol-Kombi meist nicht so gut zurecht.
In Italien hatten wir übrigens des Öfteren die Situation, dass wir auf völliges Unverständnis gestoßen sind, als wir die einzigen Erwachsenen waren, die keine Weinflasche auf dem Tisch stehen hatten. „No Wine?“ fragte uns der Kellner in der Toskana mit Entsetzen im Blick, als wir eine Flasche stilles Wasser, Cola und eine Cola light bestellten.
Aktuell findet in München das Oktoberfest statt. Das bedeutet auch: (Fast) jeder trinkt Bier. Egal ob es demjenigen schmeckt oder nicht. Eine Art Gruppenzwang. Allerdings nicht auf pubertäre Unsicherheit zu schieben. Erwachsene, die Bier trinken, obwohl sie Bier eigentlich nicht mögen. Und davon gibt es auch in Bayern gar nicht mal so wenige. Ich habe schon des Öfteren gehört „Hm, ja, eigentlich schmeckt mir Bier nicht. Aber auf der Wiesn trinkt man das halt.“
Weil man teilweise so richtig „blöd von der Seite angemacht“ wird, wenn man nicht mittrinkt. Ja, tatsächlich, im Jahr 2019, in dem eigentlich Toleranz für absolut alles da sein sollte. Auch ich habe mich in den ersten Jahren teilweise irgendwie verpflichtet gefühlt, eine Maß Bier zu bestellen. Obwohl sie mir überhaupt nicht schmeckte. Irgendwann wurde daraus ein Radler. Was ich gar nicht mal so übel finde. Aber ganz ehrlich? Die Apfelschorle schmeckt mir trotzdem besser. Und genau die bestelle ich mittlerweile – wenn es keine Wein-Alternative gibt. Denn ja, unter uns: Ich bin ja absolut der Meinung, dass man nüchtern mit den richtigen Leuten überall viel Spaß haben kann … aber das Oktoberfest ist einer der wenigen Orte, an denen es schon eindeutig unterhaltsamer ist, wenn man etwas getrunken hat – und plötzlich „Atemlos“ so gut findet, dass man dazu auf der Bank tanzen möchte. Aber das ist wieder eine andere Geschichte.
Ich gebe zu, dass ich bis vor nicht allzu langer Zeit auch fernab des Oktoberfests häufig diesem Gruppenzwang „erlegen“ bin. „Ach komm schon, ein Gläschen zum Anstoßen!“ … und schon hatte ich das Glas in der Hand, obwohl ich eigentlich gar keine Lust auf den Alkohol hatte. Mittlerweile bin ich da (meist – Ausnahmen bestätigen bekanntlich die Regel) selbstbewusster und verneine klar, wenn ich etwas angeboten bekomme und es in diesem Moment nicht will. Und ich lege bestimmend die Hand auf das Glas, wenn der Kellner ohne Nachfragen nachschenken möchte und ich merke, dass mir ein, zwei Gläser Wein völlig ausgereicht haben.
Ich gebe auch zu, dass ich nachvollziehen kann, wie die Sache mit dem „Frusttrinken“ funktioniert. Ja, es ist sehr angenehm, wenn sich das Problem nach drei Gläsern Alkohol plötzlich gar nicht mehr so schlimm anfühlt. Ist es richtig, den Frust in Alkohol zu ertränken? Gewiss nicht. Ich bin sicherlich nicht die Einzige, die sich an einen „Tag danach“ erinnert, an dem das am Vorabend vergessene Problem noch viel, viel größer erschien. Kater inklusive.
Wenn permanent und immer und zu jedem erdenklichen Anlass Alkohol getrunken wird und er an (nahezu) jedem Abend ein Muss ist, dann stellt sich schon ab und an die Frage, ob es hier nur um reinen Genuss geht, oder ob man das teilweise schon Sucht nennen kann. Denn „Sucht“ ist in diesem Fall sehr breit gefächert und bedeutet nicht nur, dass man das „gängige Bild eines Alkoholikers verkörpert“ und sich bereits am Vormittag eine Flasche Schnaps runterkippt … sondern dass man an jedem einzelnen Abend der Woche ein Glas Alkohol für ein gutes Gefühl braucht. Sucht man nach der offiziellen Definition, landet man bei dieser Aussage: „Bei weniger als zwei konsumfreien Tagen pro Woche gilt Alkoholkonsum immer als riskant.“
Meine liebe Freundin Susan hat vor einiger Zeit ebenfalls eine Kolumne zu dem in unserer Gesellschaft doch recht omnipräsenten Thema Alkohol geschrieben und hier noch einen ganz anderen Aspekt angesprochen. Wenn man um die 30 und verheiratet ist, wird ein „Nein, Danke!“ nämlich ganz schnell mit etwas anderem in Verbindung gebracht. Aber lest selbst!
Wie immer freue ich mich sehr über eure Gedanken und eure ganz persönliche Einstellung zum Thema Alkohol. Wenn ihr euch am Wochenende mit Freunden trefft: Ist der Alkohol „gesetzt“? Trinkt ihr privat oft Alkohol oder ist ein Glas Wein eher etwas, das ihr zu einem besonderen Anlass genießt? Und jetzt eine viel persönlichere Frage – Ich würde mich sehr freuen, wenn ihr sie beantwortet: Aus welchen Gründen trinkt ihr Alkohol? Nur aus Genuss, oder gibt es in gewissen Situationen auch andere Gründe?