Wenige Wochen vor der diesjährigen Wiesn trudelte eine Pressemitteilung zu einem (für mich) spannenden Thema in mein Postfach: die Ochsenbraterei hat einen veganen Starkoch engagiert, um auf dem Oktoberfest mehrere traditionell bayerische Gerichte mit Fleischersatzprodukten zu kreieren.
Und das von einem Zelt, das in erster Linie für Fleisch steht. Mein erster Gedanke: „Wow, was für ein toller Schritt in die richtige Richtung!“. Vegane und vegetarische Ernährung ist schon lange kein „Trend“ mehr, die Zielgruppe wird größer und größer.
Ich persönlich freute mich sehr über diese News. Denn ich esse bekanntlich seit drei Jahren kein Fleisch mehr. Und so sehr ich beides liebe, ich will nicht immer nur Käsespätzle und Kaiserschmarrn essen. Denn mal ehrlich: Ich habe aus vielen Gründen aufgehört, Fleisch zu essen. „Fleisch schmeckt mir nicht.“ war keiner davon. Es gibt so viel, das ich ab und an vermisse. Und ich freue mich über jedes Fleischersatzprodukt, das geschmacklich so richtig nahe an das Fleisch-Pendant herankommt.
Doch der wirklich große Wiesenaufreger waren nicht die veganen Gerichte der Ochsenbraterei, sondern ein anderer bayerischer Klassiker. Wenn nicht DER bayerische Klassiker: die Weißwurst. Im Jahr 2022 wird erstmals eine vegane Weißwurst auf dem Oktoberfest angeboten. Und ja, sie heißt ganz genau so: Weißwurst. Und schon fiel der Startschuss für die kontroversen Diskussionen auf Social Media , die nicht selten in bösartigen Beleidigungen enden. Angestachelt auch von der in den Medien sehr präsenten Aussage von Kabarettistin Monika Gruber, dass die vegane Weißwurst wie „Montageschaum im Kondom“ schmecke.
In den letzten Tagen landete ich immer wieder bei Facebook und Instagram Kommentaren unter den Artikeln von diversen Nachrichtenseiten rund um den bayrischen Klassiker. Ich mochte by the way noch nie Weißwürste, auch nicht, als ich noch viel Fleisch gegessen habe. Deshalb – und nur deshalb – probierte ich die vegane Variante bis jetzt noch nicht.
Die schlimmsten Kommentare möchte ich hier nicht zitieren, aber da wurden verbal so viele Grenzen überschritten, dass ich gar nicht mehr zählen konnte. Fast immer dreht es sich darum, dass diejenigen ein Problem damit hatten, dass die Wurst als solche bezeichnet wird. Viele haben ein RIESEN-Problem damit, dass Fleischersatz die gleichen Namen trägt wie ebendiese altbekannten Originale „Das Zeug darf nicht Wurst genannt werden.“ „Die Sch***Veganer sollen doch ihr Grünzeug fr****.“ Die vegane Weißwurst sei ein „Verbrechen an der bayrischen Kultur.“
Meine Meinung? Klar sollte die vegane Weißwurst auch Weißwurst heißen. Denn es geht doch nunmal darum, eine vegane Variante der Weißwurst anzubieten. Nicht ein völlig neues Gericht.
Immer wieder ein beliebter Witz: „Die Veganer essen unserem Essen das Futter weg.“ Veganer sind „Feinde“, werden nicht für voll genommen, werden alle in ein und dieselbe, sehr negative Schublade gesteckt. Hierzu gibt es sogar ganze Facebookgruppen. Da werden Veganer als „nicht tolerant“ beschimpft von Menschen, die nicht ein kleines Fitzelchen Toleranz für vegane Ernährung haben.
Die Zündschnur scheint ganz besonders kurz – als hätten diejenigen Angst, Veganer würden ihnen etwas wegnehmen. Und fast immer sind es die Fleisch-Verfechter, die verbal entgleisen. Deutlich seltener findet man dazwischen einen Kommentar von Veganern/Vegetariern, die sich unter der Gürtellinie auslassen, wie falsch es aus aus ethischen und ökologischen Gründen ist, Fleisch zu konsumieren. Fast immer wird sachlich diskutiert und erklärt, wieso diejenigen zu Fleischersatzprodukten greifen. Aber natürlich gibt es auch hier Extreme in der Argumentation.
Ein sehr beliebter Kritikpunkt sind die Inhaltsstoffe von Fleisch- und Wurstersatz, die nicht gesund sind / nicht gesund seien. „Dieser vegane Müll besteht doch nur aus Chemie.“ Ja, Fleischersatz enthält oftmals Aromen und Zusatzstoffe. Ebenso Zucker und Salz. Es gibt sie, die sehr gesunden Fleischersatzprodukte. Aber es gibt zum jetzigen Zeitpunkt auch viele, bei denen bedenkliche Zusatzstoffe verwendet werden, um geschmacklich möglichst nah an das Fleisch-Original zu kommen. Generell gilt: „Je kürzer die Zutatenliste, desto besser.“ Ob sich die kommentierenden Personen genauso gut die Zutatenlisten ihrer Wurst angeschaut hat?
Ich glaube nicht, dass diejenigen sich bei jeder Mahlzeit ins letzte Detail damit beschäftigen, woher denn nun das Fleisch kommt, das konsumiert wird und mit was die Tiere gefüttert wurden. „Fleischersatzprodukte sind per se schlecht und Fleisch ist das einzig Wahre. Punkt.“
Ich esse nicht viel Wurstersatz, aber wenn, dann ist für mich persönlich der wichtigste Grund: Dafür musste kein Tier sterben. Und mal ehrlich: Wer isst denn bitte Wurst und Fleisch, weil diese Nahrungsmittel sooo gesund sind? Natürlich gibt es gesündere und weniger gesunde Fleischgerichte, ebenso ist es der Fall bei dem Einsatz von Fleischersatzprodukten. In der Argumentation hat man manchmal das Gefühl, hier ginge es nur um die Option, sich zu 100% nur von Fleisch oder zu 100% von Fleischersatz zu ernähren. Dabei ist Ernährung doch so viel mehr. Egal ob man Fleisch isst oder sich vegan ernährt: Man kann sich sehr gesund oder sehr ungesund ernähren. Und ja, fast alle Menschen essen Schokolade und trinken Softdrinks, obwohl man ganz genau weiß, dass beides eigentlich nicht gut für den Körper ist. Es ist alles eine Frage der Balance.
Ich zähle nicht zu denjenigen, die vegane Ernährung als einzig wahre Religion ansehen, auch wenn ich selbst die Entscheidung für Fleischkonsum nicht mehr nachvollziehen kann. Rede ich meinen Freunden das Steak auf ihrem Teller schlecht, wenn wir gemeinsam essen gehen? Selbstverständlich nicht. Dennoch würde ich für mich selbst ausschließen, jemals wieder Fleisch zu essen und versuche, den Milchkonsum sehr gering zu halten.
Was denkt ihr, wieso erhitzt dieses Thema so dermaßen stark die Gemüter? Darf eine vegane Weißwurst so heißen, oder brauchen wir eine komplett neue Bezeichnung für vegane Produkte? Ich bin gespannt auf eure Gedanken!