Gestern hatten Chris und ich bei unserer langen Autofahrt von Zürich zurück nach München ein Gespräch über ein Thema, das im Freundeskreis schon des Öfteren aufkam: die Schule und das Wissen, das wir uns damals aneigneten. Oder viel eher „vermittelt bekamen“. Denn bei mir (und sicherlich vielen von euch auch) gab es nicht selten die „Gar keinen Bock auf Schule“-Phase.
Konkret ging es in unserem Gespräch um das Thema Englisch und darum, dass wir vermutlich 95% unseres Wortschatzes während unserer Reisen lernten, nur einen Bruchteil davon in der Schule. Ich finde Englisch großartig (auch wenn ich weit davon entfernt bin, es perfekt zu sprechen) und liebe es, mich stundenlang mit Menschen unterhalten zu können, die am anderen Ende der Welt leben. Und in der Schule? Da mochte ich das Fach nicht so gerne. Denn wir kauten eine historische Lektüre nach der anderen durch (Schon klar, Shakespeare gehört zur Allgemeinbildung, aber man muss es ja nicht übertreiben), widmeten uns aber wirklich nie alltäglichen Situationen, in denen man die englische Sprache verwenden müsste – die für uns alle aber sicherlich viel interessanter gewesen wären.
Ich war in der Schule sehr mittelmäßig im Fach Englisch, dafür hatte ich in der Oberstufe den große Mathe-Aha-Moment. Nachdem ich jahrelang Angst vor dem Fach hatte (und mein Vater mir trotz Prüfungspanik und wirklich schlechter Noten immer wieder versicherte, dass ich in Mathe eigentlich begabt sei), kam in der Oberstufe plötzlich der totale Durchblick, die Angst verschwand und ich bekam tatsächlich 13 Punkte im mündlichen Mathe-Abi. Jawohl, darauf war ich damals richtig stolz. Wenn ich mir jedoch heute anschaue, um was es 2006 im besagten Mathe-Abi ging, dann frage ich mich vor allen Dingen eines: Was um Himmels Willen haben mir diese Themen wie Integralrechnung und Co für mein „richtiges Leben“ gebracht?
Allerdings gibt es auch oft den Moment, in dem ich mir sage „Ach wenn ich doch damals in der Schule besser aufgepasst hätte ...“. Und das betrifft meist Themen rund um Chemie, Physik und Biologie. Das Schreiben war schon immer meine große Leidenschaft und Deutsch dementsprechend mein Lieblingsfach. Mit den naturwissenschaftlichen Fächern konnte ich nicht wirklich viel anfangen. Und dann hatte ich in allen dreien meist auch noch unsympathische Lehrer. Wie unfassbar viel doch der richtige Lehrer ausmacht! Wenn man in der Teenie „alles ist cooler als die Schule“-Phase den Lehrer so gaaaar nicht mag, dann hat das jeweilige Fach keine Chance.
Und insbesondere in Biologie hatte ich eine Lehrerin, mit der ich wirklich gar nicht klarkam. Wenn ich so darüber nachdenke, dann ist Biologie im Nachhinein eines der Fächer, das mich jetzt als Erwachsene mit Abstand am meisten interessieren würde. Und dessen Inhalt uns tatsächlich wertvolle Allgemeinbildung vermittelt. „Wenn wir doch damals in der Schule besser aufgepasst hätten …“
Ich entschied mich in der Oberstufe für den Erdkunde-LK und ja, das war ein Thema, das mich tatsächlich interessierte. Es kommt noch besser: Ich hatte in diesem Fach solch einen tollen Lehrer. Unfassbar nett, emphatisch, nicht nur kompetent, sondern gefühlt „allwissend“. Aber ich war nunmal 17 und saß neben meiner liebsten Party-Freundin. Und es machte ja so viel mehr Spaß, sich gegenseitig Briefchen zu schreiben, das nächste Wochenende zu planen und Jungsgeschichten auszudiskutieren als dem Lehrer wirklich Aufmerksamkeit zu schenken. Wissen wurde dann kurzzeitig für die Tests und Klausuren antrainiert … und ganz schnell wieder vergessen. Ich ertappe mich immer häufiger dabei, wie ich Erdkundethemen aus großem Interesse nachlese, da sie mich jetzt brennend interessieren. Da ich das Wissen, das ich darüber aus Schulzeiten eigentlich haben sollte, schlicht und einfach vergessen habe – oder niemals hatte. Ich meine, wir behandelten beispielsweise sehr ausführlich das Thema Klimatologie und eigentlich sollte ich hierzu ein gar nicht kleines, über das „im Winter schneit es, im Sommer ist es warm“-Wissen hinausgehendes Know-how haben. Habe ich aber nur zum Teil. Und das bedauere ich.
Etwas, das ich noch bedauere, ist meine Wahl des Fachs Latein. Denn auch wenn mir Latein meinetwegen vielleicht unbewusst in manchen Dingen etwas bringt, ich ab und an ein Wort herleiten kann, da ich es aus dem Lateinischen kenne, dann ist es nüchtern gesagt eine tote Sprache. Auch nachdem ich in der Schule sieben Jahren Latein lernte, kann ich heute keinen einzigen Satz sprechen. Und warum zur Hölle gibt es im Lateinischen den Ablativ? Wie viel lieber hätte ich bereits in der fünften Klasse Englisch gelernt und in der siebten Französisch. Dann hätte mir die zweite Sprache vielleicht sogar noch Spaß gemacht und ich könnte mich halbwegs auf Französisch verständigen.
Wir waren damals alle so ernüchtert von der ganzen Lateinvokabeln-Paukerei und hatten in der neunten Klasse (15 ist aber auch ein schwieriges Alter, was das „Verständnis für schulische Themen“ betrifft) irgendwie so gar keinen Bock mehr auf die neue Sprache. „Ach hätte ich doch damals in der Schule schon gewusst, was mir im Erwachsenenleben hilfreich sein würde … und was nicht“. Dann wäre meine Wahl auf jeden Fall auf den Spanisch-Grundkurs in der Oberstufe gefallen. Und ich hätte mich soooo in Informatik reingehängt. Denn wie genial wäre es bitte, wenn ich selbst die Grundlage für das Programmieren gelernt hätte? Ich frage mich immer noch, wie ich völlig unwissend fast drei Jahre Informatik überstanden habe. Und meine Freundin Crissy und ich uns unendlich freuten, wenn wir statt 2 einmal 5 Punkte in einer Prüfung bekamen. Glücklicherweise konnte ich den Informatikkurs fast komplett aus meinem Zeugnis streichen.
Ich könnte jetzt noch ewig so weiterschreiben. Denn zu fast jedem Fach gibt es etwas zu sagen. Ich finde es irgendwie erschreckend, dass in der Schule so wahnsinnig viel vom „richtigen“ Lehrer abhängt und man nach wie vor (wenn man die immer wieder hitzigen Debatten rund um die „der Lehrplan sollte komplett umstrukturiert werden“-Problematik verfolgt) viel zu wenig für das „echte Leben“ lernt. Es wäre toll gewesen, besser auf Bewerbungen vorbereitet zu sein. Oder auf die erste Steuererklärung.
Wie immer möchte ich auch hier wieder an euch übergeben: Bei welchem Fach denkt ihr „Ach hätte ich doch besser aufgepasst!“, über welches in der Schule angeeignete Wissen seid ihr besonders dankbar und was hättet ihr stattdessen viel lieber gelernt? Ich freue mich sehr auf eure Kommentare!