Am Ostermontag ist Papst Franziskus gestorben, und dies war natürlich auch in meinem Umfeld Gesprächsthema. Auch wenn ich der (katholischen) Kirche durchaus kritisch gegenüberstehe und seit einigen Jahren sehr ambivalente Gedanken zum Thema Glauben habe, fand ich es positiv, dass Franziskus als sehr bescheiden galt und für Werte wie soziale Gerechtigkeit und Frieden einstand.
Gleichzeitig gab es während seiner Amtszeit auch viele sehr kritische Aussagen, und die Kirche hat noch einen langen Weg vor sich, um eine echte Brücke zwischen der heutigen Zeit und ihren alten, hochkonservativen Werten zu schlagen. Um wirkliche Toleranz zu leben und die Vielfalt von uns Menschen zu akzeptieren. Die katholische Kirche vertritt in ihrer Definition von Sünde teilweise höchst fragwürdige Positionen.
Ich habe schon oftmals angesetzt, eine Kolumne über das Thema Glaube, Gott und die Kirche zu schreiben. Doch immer wieder habe ich mich dagegen entschieden, meine Gedanken hier auf dem Blog in Worte zu fassen. Zu komplex ist das Thema.
Auch ich bin mit der Kirche und dem christlichen Glauben aufgewachsen. Meine Eltern gingen nicht jeden Sonntag in die Kirche, doch meine Konfirmation war damals selbstverständlich. Abends wurde gebetet, manchmal leise, manchmal gemeinsam. Und an ein Weihnachtsfest ohne Kirche war nicht zu denken. Ich erinnere mich gerne an das Krippenspiel, an dem ich in meiner Kindheit fast immer beteiligt war.
Heute, viele Jahre später, sieht das anders aus. Die Kirche spielt in meinem Leben keine Rolle mehr, auch bei unserer Hochzeit entschieden Chris und ich uns klar gegen eine kirchliche Trauung. Ich tue mich schwer damit, den Glauben, mit dem ich aufgewachsen bin, mit dem Wissen der Wissenschaft, mit den Erfahrungen des Lebens in Einklang zu bringen. Wenn etwas Gutes geschieht, sagen wir „Gott sei Dank“ – aber wie rechtfertigt man einen gütigen Gott angesichts von Krieg, Leid und dem Sterben Unschuldiger?
Die Kirche ist so oft mit Skandalen und Machtstrukturen verbunden – und mit ihrem Versagen in Momenten, in denen sie eigentlich ein Vorbild hätte sein müssen. Hinzu kommt die Tatsache, dass auf dieser Welt unter dem Deckmantel der Religion immer wieder schlimmste Taten gerechtfertigt werden. Wie gesagt: ein extrem schwieriges Thema, dem eine Kolumne hier kaum gerecht werden kann.
Wieso ich es dennoch kurz aufgreife? Ich möchte von einem persönlichen Moment erzählen. Von einem Gespräch mit meinem Papa an Ostern, das mir im Gedächtnis blieb. Wir sprachen über den Glauben, die Bedeutung der Kirche und unsere Ambivalenz zu dem Thema. In diesem Zuge sagte er, „Und dennoch ist es etwas Gutes, dass du nach christlichen Werten erzogen wurdest. Wir alle.“
Nächstenliebe, Mitgefühl, Demut, Gerechtigkeit – und vor allem die Hoffnung. Offen gesagt war das für mich immer eine Selbstverständlichkeit. Doch rückblickend wurden mir diese Werte tatsächlich zum Teil durch das Christentum vermittelt, da beispielsweise unser Bildungssystem historisch stark davon geprägt ist – und dies zu meiner Schulzeit noch deutlich intensiver war als heutzutage.
Auch viele unserer heutigen Grundwerte haben ihre Wurzeln im Christentum. Diese Werte halte ich hoch, auch wenn ich längst nicht mehr mit der Kirche verbunden bin und aktuell nicht mal genau weiß, wie ich zum Thema Glaube stehe. Sie sind dringend nötig in einer Welt, in der oft das Lauteste gewinnt und das Schwache übersehen wird.
Aber: Diese Werte brauchen in der heutigen Zeit meiner Meinung nach keine prachtvollen Kathedralen und keine alten Strukturen. Sie entstehen im Kleinen, werden von Generation zu Generation weitergegeben und im Alltag gelebt. Indem wir einander zuhören. Indem wir uns gegenseitig helfen. Und indem wir hoffen, dass auf schlimme Krisen auch wieder gute Zeiten folgen.
Vielleicht braucht es dafür keine Institution mehr, um diese Werte weiterzutragen. Vielleicht tragen wir sie längst in uns selbst – in unseren Herzen, in unserem Alltag, in der Art, wie wir leben, lieben und füreinander da sind.
An dieser Stelle würden mich sehr eure Gedanken und Kommentare zu diesem komplexen Thema interessieren: Welche Rolle spielt die Kirche noch in eurem Leben? Und wie verbindet ihr euren Glauben mit einer modernen, wissenschaftlich geprägten Welt?