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Über einen unentspannten Winterschlaf

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Wie geht es euch … wirklich? Eine Frage, die ich bewusst ganz zu Beginn stelle, da ich sie momentan wichtiger denn je finde. Die so oft gestellt, aber nur ganz selten ehrlich und aufrichtig beantwortet wird. Vermutlich, weil es meist eine Small Talk Frage ist, die gar nicht darauf abzielt, vom Gegenüber einen Seelenstriptease zu bekommen. Dabei ist es (gerade zum jetzigen Zeitpunkt) so bedeutend, auch einmal ehrlich auszusprechen, wie die eigene Gefühlslage wirklich ist. Vielleicht nicht als Antwort an den oberflächlichen Bekannten, mit dem wir zwei Minuten vor dem Supermarkt Smalltalk führen. Aber auf jeden Fall im Gespräch mit unserer Freundin am Telefon. Heute möchte ich mal wieder ein paar aktuelle Gedanken mit euch teilen, die mir in den letzten Wochen des Öfteren durch den Kopf gingen. Und ganz nebenbei auch die Antwort auf die Frage geben, wie es mir aktuell so geht.

Beim Gespräch mit Freunden und Bekannten, aber auch beim Lesen von Status-Meldungen auf den unterschiedlichsten Social Media Plattformen höre und lese ich aktuell so oft Aussagen wie „Ich bin Corona-müde“, „die Luft ist raus“ oder aber „Ich unternehme im Lockdown viel weniger als sonst und dennoch bin ich komplett ausgebrannt.“ Ja, irgendwie schwingen bei den meisten Gesprächspartnern Erschöpfung und oftmals sogar Resignation mit.

Für mich fühlt sich die aktuelle, seit November andauernde Situation ein bisschen an wie ein Winterschlaf. Entschleunigung, aber ohne das Gefühl von Entspannung. Leben mit angezogener Handbremse. Weiterhin mit Pflichten, und neuen Sorgen, Arbeit … aber kaum Zerstreuung in der Freizeit. Sport, Treffen mit Freunden, Abende in Restaurants und jegliche kulturelle Veranstaltungen fallen weg. Und irgendwie fühlt sich das mittlerweile komisch normal an. Man hat seine eigene Lockdown- Routine entwickelt und all das, was sich vor einigen Monaten noch wie ein falscher Film anfühlte, ist mittlerweile normaler, routinierter Alltag.

Ich gehe sogar noch einen Schritt weiter und muss sagen: Das Leben, das wir noch vor einem Jahr führten, das fühlt sich weit entfernt an. Verdammt weit entfernt. Ich will es by the way unbedingt wieder. Wie sicherlich alle von euch. Auch wenn es durchaus Learnings gibt, die ich aus dem letzten Jahr in das „dauerhafte neue Normal nach dem aktuellen neuen Winterschlaf-Normal“ übertragen werde.

Die Situation ist nach wie vor so, dass wir Maßnahmen brauchen. Die Zahlen sinken, sind aber immer noch hoch. Das „alte Normal“ mit seiner uneingeschränkten Reisefreiheit, vollen Bars, Massenveranstaltungen und rauschenden Festen mit vielen Menschen ist zum aktuellen Zeitpunkt undenkbar – und das wird es auch noch eine ganze Weile bleiben. Was an der Härte der aktuellen Maßnahmen richtig ist, was falsch, was immer noch sein muss, was (nach dem eigenen Empfinden) anders gehandhabt werden sollte – das lassen wir mal außen vor. „Über richtig und falsch in Corona-Zeiten“ hatte ich ja gerade erst vor kurzem geschrieben.

Schwer zu beschreiben, aber der „und täglich grüßt das Murmeltier“-Alltag fühlt sich ein bisschen so an, als seien die Emotionen hinter einer schalldichten Mauer versteckt, wie unter Watte gepackt. Eine Hiobsbotschaft nach der anderen seit fast einem Jahr – die Flut an schlechten Nachrichten hat etwas abgestumpft (auch bei mir, obwohl ich ein sehr sensibler Mensch bin, der schon immer gerne Emotionen zeigte).

Rückblickend war der erste Lockdown verhältnismäßig harmlos. Die Außenbereiche der Restaurants durften bereits nach zwei Monaten wieder öffnen, auch Fitnessstudios waren „nur“ zweieinhalb Monate geschlossen. Um nur ein paar Beispiele zu nennen. Und dennoch fühlte er sich anders an. Wie der ultimative Ausnahmezustand. Der Sommer war eine große Erleichterung, ein Durchatmen nach dem Lockdown – auch wenn immer noch „alles anders“ war. Hochzeiten wurden abgesagt, die Maske zählte zu unserem Alltag, Reisen konnten nur sehr eingeschränkt stattfinden und an Festivals, Parties und Co war gar nicht zu denken.

Und jetzt ist plötzlich der Moment da, in dem sich dieser aktuell noch viel größere Ausnahmeszustand merkwürdigerweise normal anfühlt. Man hat irgendwie akzeptiert, dass alles anders ist, dass sich das Leben änderte. Das neue Normal ist in gewisser Weise eben genau das geworden: normal. Ich kann mich noch gut erinnern, wie überemotional ich während des ersten Lockdowns auf vieles reagierte. Wie Chris und ich immer gebannt vor dem TV saßen, als neue Beschlüsse verkündet wurden. Wie extrem emotional es mich packte, wenn der Lockdown wieder einmal zwei Wochen verlängert wurde. Wie anders und absurd und neu das alles war – und wie es jetzt zu unserer Normalität wurde. Ja, auch bei der Verkündung der Lockdown-Verlängerung vor einer Woche war ich geknickt. Aber irgendwie war das ja eh zu erwarten und dementsprechend ging es bei mir schnell zum „Aufregen bringt ja eh nix, da müssen wir jetzt weiter durch. Irgendwann wird der Lockdown vorbei sein.“ über. Nichtsdestotrotz sorge ich mich – wie auch im letzten Update beschrieben – um einige Branchen sehr.

Der Lockdown geht immer weiter und weiter und weiter. Man hat sich damit abgefunden, nichts mehr wirklich planen zu können und vergisst schon fast, wie facettenreich der Alltag noch vor einem Jahr war. Wie man mit vielen Menschen gemeinsam an einem Tisch saß und unbeschwert lachte, sich zur Begrüßung um den Hals fiel, in einer völlig überfüllten Bar saß oder sogar mit tausenden Menschen gemeinsam einem beliebten Musiker in einem Stadion lauschte.

Vor ein paar Tagen erst bekam ich eine Sprachnachricht von einer lieben Freundin, in der sie mir erzählte, dass sie aktuell so oft in Erinnerungen von ihren Reisen der letzten Jahre schwelge und dass es sich anfühlt, als würde sie nun in einer völlig anderen Welt leben, auf Bildern von diesen Reisen ein ganz anderes Leben betrachten.

Ja, unser Leben änderte sich im vergangenen Jahr gewaltig. Mehr, als wir uns jemals hätten vorstellen können. Und an dieser Stelle denke ich mir: Diese „Emotionen auf Sparflamme“-Situation ist vermutlich ein Schutzmechanismus, um mit dieser Ausnahmesituation mental fertig zu werden. Ich glaube, wir werden platzen vor Glück, wenn wir wieder all das tun können, was vor einem Jahr noch normal war, wenn die Unbeschwertheit zurückkommt, wir spontan sein können, uns frei fühlen und endlich wieder unseren Alltag so gestalten dürfen, wie er für uns am schönsten ist. Worüber ich mich besonders freuen werde? Darüber hatte ich hier geschrieben.

Wie immer möchte ich nun an euch übergeben und würde mich freuen, wenn ihr eure Gedanken in den Kommentaren mit den Josie loves Leser*innen und mir teilt.


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9 Kommentare

  • 18
    02
    2021
    21
    Melli

    Du triffst es gut, man wundert sich kaum noch wie anders alles vor einem Jahr war. Mir macht es am meisten zu schaffen, dass ich mich auf nichts mehr freuen kann, man hat sich angewöhnt immer eine Lockdown-Verlängerung im Hinterkopf zu haben. Im November wollte ich zu meinem 30. Geburtstag einen kleinen Ausflug machen, nur zu zweit. 48h vorher kam dann doch der Lockdown… Da hat es mich emotional noch sehr aufgewühlt, aber seitdem sind die Emotionen wie unter Watte (super getroffen!). Ich denke, man kann aktuell noch keine Perspektiven für die Zukunft erwarten und trotzdem wäre das vermutlich das Einzige, was helfen würde.

  • 18
    02
    2021
    21

    Ich frage mich selbst immer wann Corona endlich vorbei ist? Ich bin davon schon so müde! Und die Frühling klingt derzeit auch nicht so toll wie früher.

  • 18
    02
    2021
    21
    Gina

    Ich habe den Lockdown im Frühjahr besser weggesteckt als jetzt. Man hatte viel schneller eine Perspektive und konnte dank des schönen Wetters viel Zeit im Freien verbringen. Jetzt hat man das Gefühl, die Einschränkungen gehen weiter und weiter, man sieht bei den gerade wieder steigenden Zahlen und Mutationen kein Ende des Tunnels.

  • 18
    02
    2021
    21
    Katja

    Heute wehte ein Hauch Frühling durch die Stadt. In vielen Läden standen die Türen offen, um Kunden zum Click und Collect hereinzulocken und die 7-Tage-Inzidenz in München sind seit zwei Tagen unter 30. ich finde, das macht Hoffnung. Richtig unbeschwert bin ich nicht, und die Mutationen machen mir Angst, aber trotzdem glaube ich oder möchte glauben, dass wir durch das tiefste Tal schon durch sind.

  • 18
    02
    2021
    21

    Mir geht es sehr ähnlich wie dir. Arbeit ist gleichbleibend gleich und der (schöne) Ausgleich fehlt. Gleichzeitig stresst der Alltag schnell.

  • 19
    02
    2021
    21
    Marla

    Genau das! Die Arbeit bleibt – wo bleibt der Ausgleich? Nun ja, vergessen wir nicht die dunklen, nasskalten Winterwochen, den Schneeeinbruch, der zumindest in einigen Regionen die Infrastruktur nahezu völlig lahmgelegt hat. Ein erster Hauch von Frühling erlaubt wenigstens am kommenden Wochenende den „Gang vor die Tür“. Da wird bei unbegehbar matschigen Waldwegen, riesigen Schlaglöchern, Lockdown-Innenstadt usw. der Gang zum immerhin geöffneten Drogeriemarkt zum Event: Ist ja schon mal was.

  • 20
    02
    2021
    21
    Angie

    Mich hat das frühlingshafte Wetter überfordert … denn die Zeit vergeht und wir sind immernoch in unserer Warteschleife….
    Die Sonne tut gut, aber vor lauter lockdown habe ich oft auch FOGO. wir gewöhnen uns an das neue normal und werden dann vielleicht mit dem alten normal überfordert sein. Achterbahn der Gefühle trifft es ganz gut.

  • 22
    02
    2021
    21
    Alexandra

    Liebe Sarah, das Bild ist ja wunderschön. Kann ich es irgendwo kaufen? Das ist ein richtiger Muntermacher.
    Viele liebe Grüße
    Alexandra

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