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MASKA Winter 2018

Fair Fashion Guide:
So shoppt man mit gutem Gewissen

Von Carina

Designer Michael Kors hat einmal gesagt: „Das Grünste, was du in der Mode machen kannst, ist großartige Mode zu kaufen, die du jahrelang tragen wirst!“ Ja, das ist ein guter Anfang. Doch reicht das aus? Leider nein. Denn auch auf den ersten Blick großartige Mode kann unter widrigen Umständen entstanden sein. Und/oder aus Materialien gefertigt worden sein, die – etwa beim Waschen – der Umwelt schaden. Wie man echte Fair-Fashion-Produkte erkennt, welche Regeln alle Shopaholics unbedingt beachten sollten und was die größten Modesünden überhaupt sind, haben wir mit einer Fair-Fashion-Expertin besprochen: Lina Pfeifer, GOTS-Repräsentantin für Deutschland, Österreich, Schweiz. Wer hier zum ersten Mal etwas von GOTS hört: Es ist die Kurzfassung für „Global Organic Textile Standard“, der führende Standard für Textilien aus kontrolliert biologischem Anbau (dazu später mehr).

Josie loves: Jede Modekette hat heute auch eine nachhaltige Kollektion im Angebot – kann ich mich darauf verlassen, dass diese Teile auch wirklich Fair/Eco-Fashion-Standards entsprechen?

Lina Pfeifer: Begriffe wie „nachhaltig“, „ethisch“ sowie „fair“ sind per Gesetz nicht definiert. Die ernüchternde Antwort hierzu wäre also erstmal nein. Grundsätzlich ist natürlich jeder kleine Schritt in die richtige Richtung erfreulich und es ist Tatsache, dass „kleinere“ Schritte von größeren Unternehmen eine erhebliche Auswirkung auf den Markt haben können. Man sollte aber nicht auf reine Marketingaussagen vertrauen und stattdessen mehr Transparenz und Nachweise einfordern.

Wie kann das konkret aussehen?

Fashion Revolution hat zum Beispiel den Hashtag #whomademyclothes auf Social Media ins Leben gerufen. Auch Standards wie GOTS können bei der Kaufentscheidung helfen. Die gute Nachricht ist, dass sich in den letzten Jahren einiges getan hat und ich kann nur jeden ermutigen, sich von dieser Bewegung inspirieren lassen.

Eine oft gehörte Shopping-Empfehlung lautet: „Lieber weniger kaufen, dafür auf hochwertige Stücke setzen, die man lange trägt“ – doch wie „grün“ ist der Einkauf beim liebsten Designer-Label wirklich?

Fast Fashion wird unter immensem Zeitdruck entworfen, wobei Makel und eine minderwertige Qualität für mehr Umsatz in Kauf genommen werden. Das gilt nicht nur für die Tragedauer eines Kleidungsstücks, sondern auch für die Optik des Materials, das oft bereits nach einmaligem Waschen leidet. Zur Fast-Fashion-Thematik kann ich das Video „The Fast Fashion trap and how to escape it“ von Designerin und YouTuberin Justine Lecone empfehlen. 

Günstigen Fast-Fashion-Stücken stehen, um auf die Frage zurückzukommen, hochpreisige Designerteile gegenüber. Dazu muss ich sagen, dass jeder für sich selbst entscheiden muss, ob Einzelstücke von renommierten Designern wirklich die Unikate sind, die man haben möchte. Ein höherer Preis bei namhaften Modehäusern heißt bei Weitem nicht, dass ökologische und soziale Standards eingehalten werden.

Zwei Looks des deutschen Labels hessnatur. 90% der Babykleidung von hessnatur ist nach GOTS zertifiert, 35% der gesamten Kollektion. Im Online-Shop findet ihr bei jedem zertifizierten Kleidungsstück das GOTS Siegel in der Produktbeschreibung.

Ist es möglich, mit einem guten Gewissen zu shoppen, wenn ich nur ein begrenztes Budget habe?

Zunächst sollte ich für mich definieren, was mein begrenztes Budget hergibt, was mein Anspruch an Mode ist und wo dieser Anspruch herkommt. Das Problem ist, dass wir durch Fast Fashion ein gestörtes Bild von Textilpreisen haben. Als Studentin habe ich mir 90 Prozent meiner Kleidung über Tauschpartys oder Sharing-Plattformen und Flohmärkte beschafft. Dazu kamen einige wenige Unikate aus Vintage-Läden. Auch die Devise „buy less, choose well“ kann das Portemonnaie schonen, weil man sich vor wirklich jedem Einkauf fragt: Brauche ich das? Und passt das zu meinem restlichen Kleiderschrank? Das Thema sollte sich auch nicht nach Verzicht, sondern als eine Bereicherung für den eigenen Lebensstil anfühlen, weil man die Werte lebt, die einem wichtig sind.

Wenn ich an meinem Konsum aus finanziellen Gründen erstmal nichts ändern kann, dann kann ich auch auf einem anderen Weg etwas erreichen. Zum Beispiel indem ich die Diskussion anrege und die Thematik so undogmatisch wie möglich mit meinem Umfeld bespreche und damit auch andere motiviere, nach Lösungen für sich selbst zu suchen. Ein Dokumentationstipp an dieser Stelle wäre der Film „The True Cost – Der Preis der Mode“.

Inwiefern kann Second-Hand-Shopping eine gute Alternative sein?

Eine Alternative zu Fast Fashion ist es allemal. Aber auch hier gilt: weniger ist mehr. Second Hand ist definitiv ressourcenschonender, aber nur, wenn man auch da einen näheren Blick auf den Materialieneinsatz wirft und seinen Gesamtkonsum überdenkt. Eine andere Alternative wäre, Kleider zu leihen. Unternehmen wie beispielsweise die Kleiderei haben sich auf solche Sharing-Economy-Prinzipien spezialisiert.

Es scheint immer mehr „grüne“ Siegel und Zertifikate zu geben – wie behält man als Konsument hier noch den Durchblick?

Einen Überblick gibt es bei der unabhängigen Plattform „Siegelklarheit“. 

Am einfachsten ist es meiner Meinung nach, wenn ich zunächst meine persönlichen ethischen Werte definiere und dann dementsprechend versuche einzukaufen. Ganz konkret bedeutet das, mir wenige glaubwürdige und anspruchsvolle Standards auszusuchen. 

Zwei Looks aus der aktuellen Kollektion des schwedischen Fair Fashion Labels MASKA

Du selbst bist als Repräsentantin für GOTS tätig, was für Global Organic Textile Standard steht. Was steckt dahinter?

GOTS ist mit 5024 zertifizierten Betrieben in 62 Ländern der führende Standard für Textilien aus kontrolliert biologischem Anbau. Jeder Verarbeitungsschritt in jedem Produktionsbetrieb entlang der textilen Wertschöpfungskette wird dabei von einer unabhängigen Drittpartei kontrolliert. Ebenso werden bei GOTS beim Chemikalieninput gefährliche Substanzen in allen Produktionsbetrieben verboten, um Arbeiter, die Umwelt und die Menschen, die die Textilien tragen, zu schützen. Neben ökologischen Kriterien sind Sozialstandards Pflicht (darunter fallen Kernarbeitsnormen wie zum Beispiel keine Kinderarbeit und ein sicherer Arbeitsplatz), um das Zertifikat zu erhalten.

>>> GOTS Simple Show Clip (der den Standard simpel erklärt).

Und wie wird gewährleistet, dass die Unternehmen die Regeln auch tatsächlich einhalten?

Alle zwölf Monate finden Vor-Ort-Kontrollen durch unabhängige, geschulte Auditoren statt, bei Verdacht auf Nichteinhaltung der Standards auch unangekündigt.

Auch die Kleidung von Armedangels ist GOTS-zertifiert. 

Wie können Konsumenten GOTS-zertifizierte Produkte auf Anhieb erkennen?

Alle GOTS-zertifizierten Produkte müssen zwingend in der Produktbeschreibung beim Online-Shop und auf dem Produkt folgende Informationen enthalten:

Was würdest du als die größte Modesünde überhaupt bezeichnen?

Textilien als billige Wegwerfartikel zu betrachten ohne sich über die Folgen für die Umwelt, die Menschen oder die eigene Gesundheit im Klaren zu sein. Sich negativ von Werbung beeinflussen zu lassen und Trends zu schnell hinterherzujagen. Unbedacht viel zu viel zu kaufen und Fast-Fashion-Brands dabei zu unterstützen, ihre nicht nachhaltigen und unethischen Geschäftspraktiken einfach weiterlaufen zu lassen.

Ein Bio Baumwolle Anbauprojekt von hessnatur in Burkina Faso 

Und welche Regeln würdest du allen Frauen, die gerne shoppen, unbedingt nahelegen?

In sich zu gehen und sich zu fragen, ob einem dieses Hobby wirklich so viel Freude bereitet. Denn vielleicht ist es gar nicht das Shoppen, was einem gefällt, sondern das schön aussehen – und das ist ja auch vollkommen okay. Nachhaltig konsumieren soll nicht bedeuten, dass man jegliche Freude an Mode verlieren soll. Im Gegenteil: Bewusster Konsum heißt, sich selbst besser kennenzulernen und zu verstehen, was einem steht.

Wenn man seinen persönlichen Stil gefunden hat, wie sollten Fehlkäufe und aussortierte Kleider am besten entsorgt werden?

Wenn man die Kleidung noch tragen kann: auf Flohmärkten oder Kleiderkreisel weiterverkaufen oder in eine lokale soziale Einrichtung spenden. Ich persönlich halte nicht sehr viel von Altkleidercontainern – denn einige Organisationen stehen noch immer unter Verdacht, lokale Textilmärkte in Produktionsländern zu zerstören. Einige nützliche Tipps dazu hat Utopia zusammengestellt.

Ein Look des schwedischen Labels MASKA

4 praktische Tipps, um mit gutem Gewissen zu shoppen

Schluss mit Spontankäufen

Diese Fragen solltest du dir vor jedem Einkauf stellen (und ehrlich beantworten!):

– Steht mir das Teil?

– Brauche ich es wirklich?

– Kann ich es mit meiner bereits vorhandenen Garderobe kombinieren?

– Wie gut (oder schlecht) ist die Qualität?

– Und wie lange werde ich das neue Teil tatsächlich tragen?

Auf Basics setzen

Fair-Fashion-Expertin Lina Pfeifer rät, den Kleiderschrank mit zeitlosen Basics auszustatten. Und das aus gutem Grund: Sie bilden die perfekte Basis für einen reduzierten Kleiderschrank, da sie sich vielfältig kombinieren lassen. „Ich liebe besonders Basics aus Bionaturfasern von GOTS-zertifizierten Brands, die sich einfach gut auf der Haut anfühlen und von denen man lange etwas hat, weil sie hochwertig verarbeitet sind“, erzählte sie uns im Interview.

Die richtigen Labels auswählen

Tatsächlich „grüne“ Ware oder nur „Greenwashing“ als Marketingstrategie? Sei ein kritischer Verbraucher, informiere dich und hinterfrage stets! So kannst du guten Gewissens entscheiden, welche Labels du unterstützen möchtest und welche nicht (mehr).

Darüber sprechen

Man kann auch als Einzelperson schon sehr viel erreichen, wenn man im Freundes- und Bekanntenkreis die Diskussion anregt und damit auch andere motiviert, bewusster einzukaufen. Ein Tipp: Die liebsten Mädels zum Filmabend einladen und gemeinsam „The True Cost – Der Preis der Mode“ ansehen – Gesprächsstoff garantiert!

 

Bilder: Presse hessnatur, Armedangels, MASKA, GOTS


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6 Kommentare

  • 12
    04
    2018
    18
    Jana

    Guten morgen,
    ein guter und wichtiger Artikel, ich bringe Josieloves eher mit Fast Fashion in Verbindung. Von daher hoffe ich, dass es nicht nur bei einem Artikel bleibt, sondern vielleicht auch mal Outfits dazu kommen.

  • 12
    04
    2018
    18
    Susi

    dieser artikel wirkt leider extrem unglaubwürdig. es ist ohne frage ein wichtiges thema, kommt mir aber sehr nach green washing vor, denn hier werden jede woche neue x neue gekaufte teile vorgestellt – mit fair fashion hat das echt nix zu tun, sorry!

  • 12
    04
    2018
    18

    @Susi: Danke für dein Feedback. „Jede Woche x gekaufte Teile“ halte ich bei einem Blog, auf dem nicht mal jede Woche ein neuer Look gezeigt wird, für etwas übertrieben. Natürlich stimmt es, dass ich hier oftmals auch neue Teile zeige. Aber ich möchte auf diesem Lifestyle Blog eben auch Trends und verschiedene Styling-Möglichkeiten aufzeigen – und das funktioniert in meinem Fall leider nicht immer nur mit Stücken, die sich schon lange Zeit in meinem Kleiderschrank befinden.

    Wenn du ihn schon eine Weile liest wirst du sicherlich auch gesehen haben, dass es auch viele Stücke gibt, die ich seit Jahren immer wieder gerne trage und deshalb in meinen Outftposts auf aktuelle Alternativen verlinke. Und ich bin sicherlich weit weg davon, „nur Neues“ zu tragen.

    Ich finde das Thema Fair Fashion wahnsinnig spannend und weiß auch, dass ich wie viele, viele Leser auch, noch viel in diesem Bereich lernen kann. Ich habe hier nicht behauptet, selbst nur grüne Mode zu tragen – in diesem Falle würde ich deine Kritik verstehen.

    Viele Leser haben sich dieses Thema gewünscht und ich freue mich sehr darüber, dass Carina es so ausführlich für Josie loves aufgearbeitet hat.

  • 13
    04
    2018
    18
    Lalu

    Ein echt interessantes Interview :)
    Seit diesem Jahr nähe ich mir meine Kleidung selbst und versuche ein Jahr lang nicht shoppen zu gehen (bis auf Unterwäsche und Socken:))

  • 13
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    2018
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    Emi

    @Sarah @Susi Insgesamt steckt die Modebranche noch in den Anfängen, was Fair Fashion angeht. Obwohl das Bewusstsein in Deutschland steigt, sich mehr Leute für Fair Fashion interessieren, hakt es dann oft an dem höheren Preis oder auch an dem Fair Fashion Stil, der vllt nicht gefällt. Was, wenn ich gerade funktionale sporttaugliche Kleidung suche, die es als Fair Fashion (noch) gar nicht gibt?! Ich beobachte bei Freundinnen, die in Berlin leben, ein zunehmendes Interesse an Kleidertauachbörsen und Vintage Mode, kombiniert mit Downsizing im eigenen Kleiderschrank.
    Letztes Jahr bin ich nach Kalifornien gezogen und bin hier viel mehr über die US “Wegwerfgesellschaft” schockiert: schneller Konsum, ohne darüber zu reflektieren. Momentan habe ich hier nur ein Fair Fashion Label entdeckt, das meinem Geschmack entspricht. Klar, ein Umdenken ist notwenig, bei jedem Einzelnen. Aber das dauert eben. Gerade deshalb ist ja eine Diskussion darüber und ein Artikel wie dieser so wichtig, um zu sehen, was denn schon auf dem Markt ist.

  • 16
    04
    2018
    18

    Was für ein wundervoller Artikel, der mir wirklich weiter hilft!
    Das Thema interessiert mich selbst unheimlich und die Doku werde ich mir gleich mal anschauen :) Danke für den Tipp! Ich möchte mir selbst auch angewöhnen nur noch sehr wenig zu kaufen und wenn dann Second Hand oder von einer wirklich guten Marke! Danke auch für die Tipps, wo man solche finden kann :)

    Ich finde oft wird uns durch Blogger auch ein falsches Bild von Konsum gezeigt, da viele Blogger einen immens großen Kleiderschrank besitzen und jeden Tag neue Sachen tragen und zeigen.. da fühlt man sich selbst meist „langweilig“ und als würde man immer das gleiche tragen…
    Deswegen finde ich es so toll, dass auf Josie Loves jetzt darauf aufmerksam gemacht wird :)

    Liebste Grüße
    Pauline <3

    http://www.mind-wanderer.com

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