Ich wurde in den letzten Tagen bereits gefragt, warum ich noch gar nichts zum Tod von Karl Lagerfeld gepostet habe. Nein, in meinem Instagram Feed gab es kein Bild von dem wohl berühmtesten Modedesigner unserer Zeit zu sehen. Das heißt nicht, dass mich sein Tod nicht berührt hat. Das hat er. Sehr sogar. Aber ich wollte nicht „mal eben schnell“ ein Bild in meiner Story posten, sondern diese Nachricht erst einmal sacken lassen – und den Weg wählen, den ich in solch einem Fall immer wähle: Ich wollte darüber schreiben.
Ich muss ehrlich sagen, dass mich selten der Tod eines Menschen, den ich niemals getroffen habe, so sehr berührte. Seit ich als Teenager begann, mich für Mode zu interessieren, seit ich nach München zog, um diese Leidenschaft zu meinem Beruf zu machen, war er DIE Konstante in dieser unfassbar schnelllebigen Modewelt. DER Designer. DER Modemensch unserer Zeit. Und die Mode hat er beeinflusst wie kaum ein anderer. Jemand, zu dem ich sehr aufgeschaut habe. Wie vermutlich jeder, der in dieser Branche arbeitet.
Legendär war nicht nur seine Arbeit, legendär war auch seine Art. Für Menschen wie Karl Lagerfeld wurde wohl die Bezeichnung „ein Original“ erfunden. Karl Lagerfeld war einzigartig, hat ungefiltert all das gesagt, was er dachte.
„Mir geht manches durch den Mund, bevor es mir durch den Kopf geht.“
Nicht, dass ich immer seiner Meinung gewesen wäre. Insbesondere seine Meinung über Models und Körperideale teile ich sicherlich nicht. Auch wenn ich denke, dass er vor gewissen Dingen, die ihm gleichgültig waren, die Augen verschloss. Erst gestern sah ich ein Interview von 2012, in dem er sagte, dass Magersucht ja überholt wäre und kaum ein Model mehr magersüchtig sei. Schade, wenn man daran denkt, dass er vermutlich jemand war, der wirklich einmal etwas hätte ändern können.
Er traf es jedoch auch oftmals sehr auf den Punkt, sah viele Dinge glasklar und nahm sich selbst trotz seiner enormen Erfolge nicht ganz so wichtig.
„Am Fließband stehen, das ist Arbeit. Was ich mache, ist Freizeitgestaltung mit beruflichem Hintergrund.“
„Man lernt nur aus seinen Fehlern. Erfolg hat noch niemandem geholfen.“
Und es war faszinierend zu sehen, wie viel Disziplin dieser Mensch hatte (sieben Stunden Schlaf mussten sein. Komme, was wolle!), wie viel Kreativität in ihm steckte. Er zeigte, dass mit einem eisernen Willen fast alles möglich war, man alles erreichen kann, was man möchte. Visionen wahr werden können, wenn man nur hart genug dafür arbeitete. Und auch hier sieht man wieder, wie wahr die Aussage „Wer nicht wagt, der nicht gewinnt“ ist. Auch Karl Lagerfeld wagte viel, ging als junger Mann nach Paris, um die Modewelt zu erobern – ohne eine Ausbildung in der Tasche.
„Ich habe ja im Grunde nie etwas gelernt. Ich habe nicht einmal Abitur gemacht und nix.“
Er zeigte wie kaum ein anderer, dass man an sich und seine Träume glauben muss und sich nicht von seinem Weg abbringen lassen darf.
Legendär war sein unfassbarer Arbeitswille bis ins hohe Alter, von dem sich vermutlich fast jeder eine Scheibe abschneiden könnte.
„Ich fordere den 48-Stunden-Tag. Mit nur 24 Stunden komme ich nicht aus.“
Man nimmt ihm ab, dass er nur das machte, was ihm Spaß bereitete, er sich nur mit Dingen beschäftigte, die ihn interessierten. Einer der wenigen Menschen, denen man tatsächlich glaubt, dass er die Kooperation mit dem Brillenhersteller nur einging, da es genau solch eine Brille nicht auf dem Markt gab und er sie gerne hätte, und ihn VW reizte, weil sein erstes Auto ein Volkswagen war. Nicht des Geldes wegen.
Karl Lagerfeld machte seine Choupette zur berühmtesten Katze der Welt – selbstverständlich gibt es sie auch als Steiff-Tier
Eine der bekanntesten Aussagen über seine eigene Person charakterisiert ihn wohl am besten:
„I’m very much down to earth. Just not this earth.“
Was ich so sehr an ihm bewunderte, war, dass er einerseits seiner Linie immer treu blieb, aber dennoch stets neue Wege einschlug. So war er nie Mitläufer, kreierte stattdessen neue Trends. Machte aus der schwächelnden Marke Chanel DAS Luxus Label schlechthin. War der erste Designer, der mit H&M arbeitete und so den Weg für die Liaison zwischen High Fashion und Fast Fashion bereitete. Auch im sehr fortgeschrittenen Alter scheute er sich nicht vor dieser großen, neuen Social Media Welt. Ging stets mit der Zeit, und ließ sich dennoch niemals verbiegen.
„In der Mode muss man ständig zerstören, um sich zu erneuern. Das lieben, was man gehasst hat, und das hassen, was man geliebt hat.“
„Zukunft ist die Zeit, die übrig bleibt.“
„Das Prinzip meines Lebens ist der Wechsel.“
Danke, Karl Lagerfeld! Danke, für so viele Inspiration, dieses große modische Erbe, und all die Lebensweisheiten. Danke für zahlreiche Schmunzler (Ich liebe nach wie vor die legendäre Jogginghosen-Aussage!), aber auch viele, viele Denkanstöße – und jahrzehntelange Mode-Magie.
Lese-Tipps zum Tod von Karl Lagerfeld:
Ein Nachruf von Karl Lagerfelds Freundin Inga Griese, der Chefredakteurin der ICON:
„Ach Karl, wir waren doch verabredet!“
„Karl Lagerfeld über Deutschland, Angela Merkel und seine Geburtsstadt Hamburg“ – ein VOGUE Interview aus dem Jahr 2017, das die Chefredakteurin Christiane Arp führte und das Magazin diese Woche noch einmal postete
„Über ein halbes Jahrhundert lang hat er von Paris aus die Mode regiert: Leb wohl, Karl!“ – ein sehr schöner Nachruf auf Journelles
„Mich nannte er oft ‚Frau Arbeit'“ von Christiane Arp
Bilder: Karl Lagerfeld PR / Fendi PR