Ich musste so schmunzeln, als ich diese Metapher während unserer Island Reise das erste Mal hörte. Seitdem kommt sie mir in so vielen Situationen wieder in den Kopf. „Bleib auf deiner eigenen Yogamatte!“, im Sinne von „Bleibe bei dir und beschäftige dich nicht zu viel mit dem, was die anderen tun.“
Es ist so verwurzelt in unserer Gesellschaft, dieses permanente Urteilen. Das pauschale Lästern über andere Verhaltensweisen, der Norm abweichende Lebensformen und Handlungen. Dieses „Der Weg ist anders als mein eigener, also finde ich ihn doof“.
Ich will mich da gar nicht komplett herausnehmen, auch ich ertappe mich immer mal wieder dabei, wie ich etwas verurteile, das mir persönlich fremd ist. Und ärgere mich im nächsten Moment darüber. Denn seit einigen Jahren lebe ich nach dem Motto Jede/r kann so sein, wie sie/er möchte, solange sie/er keinem anderen Menschen damit wehtut. Und glaubt mir, damit entwaffnet man ganz schön viele Argumente, wenn man mit anderen in die Diskussion geht und nachfragt, warum für diese Person irgendwas nervt/stört/inakzeptabel ist. Nur weil etwas nichts für mich ist, kann es doch genau das Richtige für andere sein.
Unsere Gesellschaft liebt es, vorschnell über andere Menschen zu urteilen und diese in Schubladen zu stecken. Dabei kenne ich kaum einen Menschen, der bildlich gesprochen in eine Schublade passt. Zu facettenreich ist der Charakter jedes einzelnen Menschen. Ein Thema, dem ich bereits vor einigen Jahren eine Kolumne widmete: Über Vorurteile und Schubladendenken. Es macht mich auch im Jahr 2024 traurig, wie oft Menschen nur aufgrund ihres Aussehens in eine Schublade gesteckt werden.
Das Urteilen liegt in der menschlichen Natur. Sobald wir etwas aufmerksam wahrnehmen, ordnen wir es ein. Wir kategorisieren. Dennoch – und das ist die große Challenge – sollte dies nicht automatisch mit einer Wertung einhergehen.
Diese Wertung geschieht meist nicht im Stillen, stattdessen wird in unserer Gesellschaft gerne auch mal lautstark über das gelästert, was andere anders machen. Keine Kinder bekommen, viel Geld für Reisen ausgeben, ein unkonventionelles Hobby ausüben, ein großes Auto kaufen oder ein Kleid mit tiefem Ausschnitt tragen. Um nur ein paar Beispiele zu nennen. Meist sagt das mehr über die urteilende Person aus. Ich möchte gar nicht so weit gehen und sagen, dass dies immer bedeutet, dass diejenige Person selbst unzufrieden mit etwas ist. Denn so einfach ist es nicht. Dennoch sollte man meiner Meinung nach immer hinterfragen, warum genau man sich an etwas so sehr stört, das andere anders machen als man selbst.
Nicht falsch verstehen, ich bin nicht der Meinung, dass man niemals Kritik an etwas äußern sollte. Ich bin sogar ein großer Fan von konstruktiver Kritik durch das ganz persönliche Umfeld. Negative Veränderungen oder verletzendes Verhalten sollten angesprochen werden. Immer. Auch wenn man das Gefühl hat, ein nahestender Mensch vollzieht eine Handlung nur, weil er unter Druck gesetzt wird. Das ist aber nicht das Thema der heutigen Kolumne.
Vor kurzem las ich einen Satz, der mich sehr zum Nachdenken anregte. Dieser ging in etwa so: Unsere instinktive Kritik an etwas beruht oftmals auf mangelnder Erfahrung damit. Und das ist so zutreffend! Unsere Gesellschaft neigt dazu, etwas automatisch zu kritisieren, wenn es neu ist. Ungewohnt. Außerhalb der eigenen Komfortzone.
Wenn mir direkt in den Kopf kommt, dass ich in einer Situation das Handeln anderer Menschen befremdlich finde, hinterfrage ich mittlerweile meist direkt im Anschluss, ob ich etwas wirklich blöd finde, oder lediglich für mich selbst nicht wollen würde.
Sich auf Neues einzulassen, ist auch eine Form von Empathie. Und in unserer schnelllebigen Welt ist es so wichtig, nicht den Anschluss zu verlieren. Sich Neuem nicht zu verschließen, nur weil es im ersten Moment fremd ist. Das bedeutet gewiss nicht, dass wir alle bei jedem Trend mitmachen sollten, jede Lebensform ausprobieren und unser Leben auf den Kopf stellen müssen, wenn wir doch eigentlich happy mit unserem Hier und Jetzt sind. Aber wir sollten immer akzeptieren, wenn andere sich anders entscheiden. Leben und leben lassen.
Ich mag den Gedanken, auf meiner eigenen Yogamatte zu bleiben. Danke, liebe F., für diese schöne Metapher.
PS: Es wird Zeit, dass ich auch im wortwörtlichen Sinne mal wieder mehr Zeit auf (m)einer Yogamatte verbringe.