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Wieso man die
Frage nach der
Kinderplanung
nicht einfach so
stellen sollte …

Es gibt da eine Frage, die wird einer Frau ab Mitte 20 immer mal wieder und ab Anfang 30 sehr häufig gestellt. Noch häufiger, wenn sie (frisch) verheiratet ist. Ihr wisst sicherlich genau, was ich meine. Es ist die Frage nach der Kinderplanung.

Oftmals übrigens nicht die Frage nach dem „Ob“, sondern eher nach dem „Wann“. Als wäre es vollkommen klar, dass das Gegenüber eigene Kinder im persönlichen Lebensentwurf sieht. Kinder haben möchte. Kinder haben kann. Die Fragen werden ganz besonders gerne mal in oberflächlichen Gesprächen von entfernt Bekannten gestellt. Als würden diejenigen nach dem Wetter fragen. Als wäre es das Normalste der Welt, eine Frau nach solch einer unglaublich privaten Angelegenheit zu fragen. Dabei kann diese Frage so viel auslösen. Schmerz, wenn jemand auf einen langen Leidensweg zurückblickt. Ein unerfüllter Kinderwunsch. Fehlgeburten. Unsicherheit, wenn diejenige sich gerade in einer schwierigen Situation ihres Lebens befindet. Trauer, wenn eine Krankheit die Kinderplanung im Keim erstickt hat. Nicht jede Frau ist selbstbestimmt kinderlos.

Doch auch wenn man sich ganz bewusst gegen Kinder entschieden hat, kann diese Frage viel auslösen. Insbesondere, wenn sie mit einer großen Portion „Eine Frau ohne Kind ist keine richtige Frau“-Meinung garniert ist. Auch schlimm: der Vorwurf des Egoismus, wenn man keine Kinder will. Das kann auch sehr verletzend sein, obwohl man zu 100% hinter der eigenen Entscheidung steht. Man darf nie vergessen: hinter dieser Entscheidung können unzählige unterschiedliche Beweggründe stecken.

Die Frage kann furchtbar nerven oder Zweifel säen. Dem Gegenüber „nur“ ein ungutes Gefühl geben oder sich wie ein Stich ins Herz anfühlen. Ich kann mir gar nicht ausmalen, wie schmerzhaft es sein muss, wenn man Vorwürfe zur eigenen Kinderlosigkeit bekommt während man seit Jahren verzweifelt versucht, schwanger zu werden.

Ich finde es wichtig und richtig, über dieses Thema mit Freunden und nahestehenden Personen zu sprechen. Und wenn die betroffene Person von sich aus mit dem Thema beginnt, dann kann es auch einmal Gesprächsstoff in einer etwas oberflächlicheren Runde sein und direkt nach dem Wettergespräch thematisiert werden. Aber es ist in vielen Situationen unfassbar übergriffig, eine Frau „einfach so“ nach ihrem Kinderwunsch zu fragen. Denn es ist eben nicht nur die Frage nach irgendeinem Wunsch (im Sinne von „Ich wünsche mir eine neue Couch“), sondern es steckt für diejenige oftmals ihre ganze, kleine, große, persönliche Welt in der Antwort. Das sollte man immer im Kopf haben. Und dafür möchte ich hier auf Josie loves seit Jahren sensibilisieren.

Ein Thema, über das ich schon des Öfteren hier auf dem Blog geschrieben habe (zum Beispiel hier und hier) und zu dem ich regelmäßig mit vielen von euch im Austausch bin. Und deshalb dachte ich mir, ich möchte das Wort nicht nur in den Kommentaren, sondern auch in einem Artikel an euch übergeben. Um zu zeigen, welch unterschiedliche Emotionen diese oftmals so plump und unsensibel gestellten Fragen auslösen können. Ich danke euch von Herzen für all eure Mails und die ausführlichen, persönlichen Geschichten. Danke für euer Vertrauen! Die Namen mit * sind abgeändert, da die Autorinnen lieber anonym bleiben möchten.

Lina*, 41

Ich habe das Gefühl, mich ständig dafür rechtfertigen zu müssen, warum ich keine Kinder habe. Besonders schmerzhaft finde ich Kommentare von Müttern – egal welchen Alters – die einem das Gefühl geben, dass man ohne jemals ein Kind geboren zu haben, sein „Frau-sein“ verwirkt hat. Ich finde es unsolidarisch, die Gefühle für das eigene Kind (die gewiss unheimlich stark und wunderschön sind) als einzig wahren Sinn im Leben zu beschreiben. Es ist doch auch nicht jeder Beruf gleich passend für alle Menschen, warum sollte es das „Muttersein“ also für alle Frauen sein? Wann fangen wir endlich an, uns gegenseitig mit all unseren Facetten und Lebensmustern zu sehen und zu unterstützen?

Anabell*

Ich bin seit 17 Jahren MS-Patientin und nehme täglich Medikamente, um die Krankheit einzudämmen. Ich wollte in jungen Jahren immer Mutter von zwei Kindern sein, bin aber davon abgekommen. Mein Körper ist „vollgepumpt“ mit Medikamenten, die ich lange vor einer Schwangerschaft absetzen müsste. Das Risiko, einen Schub zu bekommen, oder dass mein Kind Folgeschäden tragen könnte, ist mir zu hoch und möchte ich keinem Lebewesen antun. Ich für meinen Teil lasse mich nicht stressen und gehe mit dem Thema offen um, wenn ich gefragt werde. Die, die mich kennen, wissen das und fragen auch nicht.

Sue, 35:

Wenn ich nach Kindern gefragt werde, habe ich das Gefühl, dass mein ganz persönlicher Weg nur sehr selten hundertprozentig akzeptiert wird. Meist muss ich mich rechtfertigen.

Schon vor Jahren schrieb ich einen Artikel, dass ich mir vorstellen kann, selbstbestimmt kein Kind zu bekommen. Jetzt bin ich 35 und habe noch immer keinen Kinderwunsch. Bin mir mittlerweile sehr sicher, dass er auch nicht mehr kommen wird.

Und mit diesem „fehlenden“ Wunsch, „obwohl“ ich glücklich verheiratet bin („fehlend“, weil es ja scheinbar normal wäre, wenn es anders wäre), da befinde ich mich als Frau mit 35 gefühlt „irgendwo dazwischen“.

Anmerkung: Sue hat übrigens heute auch eine sehr lesenswerte Kolumne zum Thema „irgendwo dazwischen“ geschrieben, die ihr auf ihrem Blog lesen könnt.

Julia, 40:

Oh diese Frage. Ich bin gewollt kinderlos und mittlerweile bin ich gelassener geworden und erkläre freundlich, dass das wirklich ganz alleine meine Entscheidung ist, weil mein Körper und so und dass die Frage völlig unangebracht ist. Und dass das bitte für alle Frauen genauso gilt.

Als ich noch jünger war (ich wusste schon mit Mitte 20, dass ich keine Kinder möchte) hat es mich abwechselnd wirklich wütend und verzweifelt gemacht.

Was ich interessant finde – mit dem Hund tauchte plötzlich der ‚oh ein Kinderersatz‘ Blödsinn auf. Auch hier versuche ich ruhig zu erklären, dass man keinen Ersatz für etwas was man nicht will haben kann. Aber ganz ehrlich, es ist wirklich erschreckend wie oft man von wirklich nicht nahestehenden Menschen darauf angesprochen wird. Ich bin da ganz bei dir und versuche einfach immer weiter auf die Problematik aufmerksam zu machen.

Carolin, 35:

Jedes Mal, wenn die Frage danach aufkommt, ob wir planen Kinder zu haben oder wann wir Kinder haben möchten, kommt ein dumpfes Gefühl in mir auf. Soll ich es nett belächeln und schnell das Thema wechseln oder direkt mit der Wahrheit herausrücken und meinem gegenüber direkt erklären wie es wirklich ist? Denn aufgrund eines stark erhöhten Risikos an Krebs zu erkranken, musste ich mir die Eierstöcke entfernen lassen und wir uns damit auch von unserem Kinderwunsch verabschieden. Wenn ich also nach unserem Kinderwunsch gefragt werde, werde ich dadurch an den Krebs erinnert und was er mir genommen hat. Und zwar niemals eine eigene kleine glückliche Familie gründen können.

Und genau deshalb würde ich mich freuen, wenn so viel mehr Menschen einfach viel sensibler mit dieser Frage umgehen würden und auch diese Seiten einmal in Betracht ziehen würden.

Anmerkung: Carolin ist Brustkrebsaktivistin und Ernährungsexpertin. Im vergangenen Jahr habe ich sie zu ihrem Buch „Eat well, feel better: Die neue Säure-Basen-Formel“  für Josie loves interviewt! Hier könnt ihr das Interview lesen!

Theresa*, 31:

Ich bin 31 und bekomme (trotz meines aktuellen Singledaseins) nun auch häufiger die Frage nach einem Familienwunsch gestellt. Die Beantwortung löst bei mir, insbesondere wenn es keine engeren Freunde/Bekannten sind, Unbehagen aus.

Ich habe eine schwere Form der chronischen Migräne (die leider von der Gesellschaft nicht wirklich anerkannt wird). Kinder sind dann zwar möglich, aber die Betreuung in schweren Krankheitszeiten kann sehr belastend sein und benötigt daher die Unterstützung von Familie/Freunden. Aufgrund der zusätzlichen Stressbelastung durch ein Kind habe ich mich vor gut zwei Jahren entschieden, keine Kinder zu bekommen. Gerade auch, weil als chronisch Erkrankte mit der Möglichkeit eines Jobverlusts ein Kind ein zusätzliches Armutsrisiko bedeutet. Ich möchte weder mir noch einem Kind eine so wackelige Zukunft aufgrund meiner Krankheit zumuten.

Doch wie erklärt man dies, wenn man vor allem von Fremden gefragt wird? Zum einen möchte man nicht gleich die eigene Erkrankung öffentlich machen, andererseits mag ich auch ungerne in den üblichen Phrasen wie „Ich plane keine Kinder“ , „Ich kann mir Kinder nicht in meinem Lebensentwurf vorstellen“ antworten. Meist gibt es dann ja schon Nachfragen, die man dann abermals abblocken muss. Dementsprechend wandele ich oft auf einem schmalen Grat.

Kristina*

Also, mit Ü50 werde ich mittlerweile nicht mehr danach gefragt, aber in meinen Dreißigern war das anders.

Ich habe die Frage immer als „übergriffig“ empfunden. Definiert sich eine Frau denn nur über ein Kind? Meist habe ich mich mit den „üblichen Ausreden“ wie „es hat sich noch nicht ergeben“ oder „kann ja noch kommen“ gerechtfertigt und/oder es lapidar abgetan. Mir war eine Diskussion darüber einfach zu persönlich und ich wollte das Thema weder öffentlich, noch in der Familie oder im Freundes- und Bekanntenkreis oder sogar mit Fremden besprechen.

Ein ehemaliger Chef hat mich mal gefragt: „Wird es bei dir nicht auch langsam mal Zeit für ein Kind?“ Da war ich Anfang Dreißig und habe darauf gar nicht geantwortet, weil ich zu perplex war und die direkte Frage einfach nur unverschämt fand. Ein paar Tage später bin ich zu ihm gegangen und habe zu ihm gesagt: „Du solltest einer Frau nie die Frage nach der Kinderplanung stellen. Die Antwort könnte sein, dass sie keine Kinder bekommen kann.“. Da war es an ihm, perplex und sprachlos zu sein.

Tatsächlich war es immer so, dass meine jeweiligen Lebensgefährten keinen Kinderwunsch hatten und ich mich dem angepasst habe bzw. meinen Wunsch zurück gestellt habe. Mein Wunsch nach einem Kind war aber auch nie besonders ausgeprägt. Ich habe zwar immer gedacht, dass ich mal ein Kind oder mehrere haben würde, es aber nie wirklich geplant oder forciert. Ich kann mir vorstellen, dass dieses Thema daher für andere Frauen, die aus welchem Grund auch immer keine Kinder haben oder bekommen können, es aber gerne anders hätten, sehr und zutiefst verletzend ist.

Es gibt unendliche viele Emotionen, die dieses Thema auslöst, dass man gar nicht alle beschreiben kann. Und für jede Frau wird es anders sein, vielleicht auch abhängig vom jeweiligen Zeitpunkt im Leben.

In meiner jetzigen Beziehung hat es Zeiten gegeben, da wir es bereut haben, kein Kind zu haben. Manchmal macht es uns sogar heute noch ein wenig traurig. Aber mittlerweile haben wir uns damit ausgesöhnt und sind manchmal auch ganz froh, dass es so ist, wie es ist. Denn die weltpolitische Zukunft lässt uns schon ein wenig mulmig werden.

Sophie*

Ich hasse diese Frage, da ich einen Kinderwunsch habe. Bisher hat immer der richtige Partner gefehlt. Jetzt wo er da ist, bin ich kurz nach dem 38. Geburtstag an Brustkrebs erkrankt und die Familienplanung rückt für uns schon wieder in weite Ferne…

Marion, 40

Ich zähle mich zu den glücklichen Frauen, die freiwillig kinderlos geblieben ist. Dieses Privileg teilen aber nicht alle Frauen mit mir – viele sind nicht aus freien Stücken kinderlos – sei es aus gesundheitlichen Gründen oder mangels einer Partnerschaft oder wegen wirtschaftlicher Hindernisse. Damit ist es für mich möglich die Frage nach Kindern recht simpel zu beantworten, da ich nicht gezwungen bin intime Details aus meinem Leben preiszugeben. Und dennoch muss ich mich rechtfertigen. Und das ist das eigentliche Problem: Die Annahme, dass man als kinderlose Frau entweder einen Fehler macht oder unter einem Mangel leidet. Diese gesellschaftliche Grundannahme muss weichen, dann lösen sich auch die neugierigen und verletzenden Fragen in Luft auf.

Klara*

Es ist ein barsches, radikales und schmerzhaftes Eindringen in meine Privatsphäre. Als wäre es das Normalste und Recht der Welt, dass ich mein Innerstes, das sensibelste meiner Beziehung und meiner selbst nach außen drehen muss, weil die Gesellschaft es fordert. Obwohl ich selbst gar nicht weiß, und vielleicht nicht wissen will oder bewahre, was wir eigentlich wollen.

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Das waren noch lange nicht alle Stimmen zu diesem Thema. Da ich so viele tolle, bewegende und zum Nachdenken anregende Nachrichten zu diesem so persönlichen Thema bekommen habe, möchte ich diesen Artikel splitten. In den nächsten Tagen wird Teil Zwei online gehen!


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7 Kommentare

  • 10
    02
    2023
    23
    Ute

    Danke für diesen Artikel!!!

  • 11
    02
    2023
    23

    Ich bin eigentlich kaum mit dieser Frage konfrontiert worden – aber was meines Erachtens viel zu oft untergeht, ist eine andere.

    Nämlich: Sollte man überhaupt Kinder bekommen? Die Frage ist immer nur, ob sich jemand das wünscht. Doch ich denke, man sollte sich auch fragen, ob man überhaupt dafür geschaffen ist?

    An keinem anderen Thema hängt so viel Verantwortung – und bei keinem anderen Thema machen wir uns genau darum so wenig Gedanken.

  • 11
    02
    2023
    23

    Ein toller Artikel! Ich hüpfe auch gleich noch rüber zu Sue und lese mir ihren Post zum Thema durch.

    Ich finde es übrigens auch immer interessant, dass es von vielen Menschen als egoistisch gesehen wird, keine Kinder zu bekommen. Doch genauso egoistisch ist es doch, Kinder in die Welt zu setzen.

  • 11
    02
    2023
    23
    Marie

    Ich werde ehrlich gesagt sehr sehr selten gefragt ob ich Kinder habe oder möchte. Das kam vielleicht 5 mal vor, und ich bin 40. Ich sage dann einfach nein und begründe es gar nicht. Bei Nachfrage zum Warum sage ich bestimmt, dass wir keine wollen und hiermit das Thema beendet ist (freundlich natürlich). Die Entscheidung gegen Kinder war eine bewusste, ich bin diesbezüglich mit mir im Reinen und die Frage hat mich vielleicht deshalb nie „getriggert“.
    Ich selbst habe noch nie einer anderen Person diese Frage gestellt, nicht mal meiner Schwester. Wenn jemand schwanger ist, bekomme ich es früher oder später schon mit. Und wenn jemand keine Kinder hat gibt es Gründe, die mich zum einen nichts angehen und wenn ich ehrlich bin, auch gar nicht so interessieren.

  • 12
    02
    2023
    23
    Lisa

    Sehr toller Artikel. Ich habe einen 10 Monate alten Sohn, kann mich aber trotzdem sehr gut in die Situation hineinfühlen. Ich habe meinen Sohn „erst“ mit 35 bekommen und habe mir vorher jahrelang die Fragen und Kommentare anhören dürfen. Von Freunden hat mich ihr ehrliches Interesse nie gestört. Aber von Familie hat es mich irgendwie immer getriggert weil ein Vorwurf mitgeschwommen ist.

  • 16
    02
    2023
    23
    Ingrid

    Ein wirklich leidiges Thema, das scheinbar nie abreißt. Selbst wenn du Kinder hast, die im gebärfähigen Alter nicht auf Kinderwunsch aus sind, wird man von allen Seiten mit der Oma-Frage bombardiert. Sehr dreist, was sich sogar ‚weit entfernte‘ Menschen da erlauben.

  • 17
    12
    2023
    23
    Antonia

    Vielen Dank für diesen Artikel. Ich bin mittlerweile 37 und aufgrund von Endometriose Grad 3 und einer Translokation, die wahrscheinlich der Grund für zwei Fehlgeburten war, ungewollt kinderlos. Die Frage wurde mir tatsächlich schon oft gestellt und jedes Mal fällt es mir schwer die richtige Antwort darauf zu finden. Es hat nun mal nicht jede Frau das Glück, wenn sie schwanger werden möchte, dass sie tatsächlich auch schwanger werden kann.

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