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Wieso man die
Frage nach der
Kinderplanung
nicht einfach so
stellen sollte
– Teil Zwei

Da ich so viele starke, persönliche und emotionale Nachrichten auf meinen Aufruf bekam, entschied ich mich dafür, diesen Artikel in zwei Teile zu splitten.

Der erste Teil ging vor einer Woche online. Auch heute möchte ich euch diese Plattform geben, um zu beschreiben, was die Frage nach der Kinderplanung bei euch ganz persönlich auslöst. Danke von Herzen an alle, die dabei waren und sich hier geöffnet haben. Die Namen mit * sind auch dieses Mal abgeändert, da die Autorinnen lieber anonym bleiben möchten.

Janina, 32

Immer, wenn ich nach meiner Kinderplanung gefragt werde und darauf antworte, dass ich keine Kinder bekommen möchte, erfahre ich, leider überwiegend von Frauen, eine ablehnende Haltung. Von: „deine Meinung wird sich schon noch ändern“, komischen Blicke und Wegdrehen bis hin zu Aussagen, dass man das ja gar nicht verstehen kann. Ich fühle mich und meine Entscheidung nicht respektiert, ausgegrenzt und als ob man mich nur auf das Kinderkriegen reduziert. Dass meine Entscheidung mit einer frühen Feststellung einer Hormonstörung zusammenhängt und ich nur sehr schwer Kinder bekommen könnte, nehme ich in letzter Zeit manchmal mit dazu, fühle mich dann aber so, als ob ich die Entscheidung nur mit einer Krankheit rechtfertigen kann und nicht mit meiner bewussten Entscheidung.

Juliane*, 45

Wo fange ich an? Also mein Mann und ich, wir wollten Kinder. Aber eben auch ein gemeinsames Leben und Reisen zusammen – gemeinsame Erinnerungen schaffen. Als wir 2011 im August heirateten hatte ich kurz davor eine neue Stelle angeboten bekommen. Zu dieser Zeit war ich Gruppenleiterin mit einem Team von fünf Mitarbeitern. Der neue Job war eine Abteilungsleitung mit über 20 Mitarbeitern. Eine Position, die zu diesem Zeitpunkt auch noch nie eine Frau in diesem Konzern hatte.

Ich sagte zu. Unterschrieb. Heiratete. Danach wurde es öffentlich gemacht, dass ich in dieser Position in Zukunft die verantwortliche Managerin bin. Es sind doch tatsächlich weibliche wie auch männliche Kollegen zu meinem Vorgesetzten gegangen und fragten, warum man mir diese Stelle gegeben hat, weil „die hat doch eben erst geheiratet“, „die wird ja eh mit Kindern bald zu Hause bleiben“. Das ist wirklich erst 12 Jahre her. Und dieses Meinungsbild haben auch heute immer noch erschreckend viele Menschen.

Wir wollten Kinder, haben das auch versucht. Leider hatte ich sie immer verloren. Doch das ganz Verstörende war – das Umfeld wusste das ja nicht (vor allem nicht im Büro)  – ich wurde daraufhin bewertet. „Voll die Karrieretussi“, „die ist so hart weil sie keine Kinder hat“, „die hat ja keine Ahnung weil sie keine Kinder hat“. Fragen kamen dann: Wann bekommen sie Kinder? Warum haben sie keine Kinder? … das war das berufliche Umfeld.

Privat bekommt man ja oft von Menschen zu hören, wenn sie denn gerade Stress mit ihren Kindern haben: „Sei froh, dass du keine Kinder hast!“. Da kommt von mir doch schon mal die Antwort: „ Ich nehme deine Kinder gerne, wenn dir das alles zu viel ist!“ daraufhin werde ich immer etwas verstört angesehen, und man stammelt etwas wie : „ Äh so habe ich es nicht gemeint“.

Eine Fehlgeburt zu erleiden und wieder die Hoffnung genommen zu bekommen mal Mama zu werden schmerzt. Der Prozess, mit diesem ganz abzuschließen, dauert lange. Doch ich ich glaube, meinen Frieden gefunden zu haben.

Vielleicht wäre das Leben mit Kind nicht glücklicher und erfüllter. Ich bin heute glücklich. Bin dankbar für das Hier und Jetzt und würde mir wünschen, dass die Gesellschaft jedem Raum gibt das zu sein, was er will. Es gibt LGQBT und divers und alles drum herum. Dafür schaffen wir gerade Akzeptanz in der Gesellschaft. Doch eine Frau oder eine Frau und ihr Mann dürfen sich nicht entscheiden keine Kinder zu wollen?

Ich möchte, dass es aufhört, dass eine Frau (vor allem wenn sie verheiratet ist) immer und immer wieder diese Frage gestellt bekommt. Es ist ein Übergriff. Und neben dem „Ich WILL KEINE Kinder.“ gibt es noch: „Ich kann keine bekommen, ich habe ein oder mehrere Kinder verloren.“ Und jede Frau und jedes Paar sollte selbst entscheiden können, ob sie etwas dazu erzählen wollen oder nicht.

Katharina, 41

Je älter ich wurde, desto klarer war mir: Eigene Kinder zu haben, das wäre nichts, was sich für mich richtig und gut anfühlen würde. Lange musste ich mir, als Langzeitsingle, den typischen Spruch anhören: „Warte nur bis der Richtige kommt.“ Nun, da ich die Vierzigergrenze überschritten habe, hören diese Sprüche zum Glück langsam auf. Trotzdem werde ich immer wieder gefragt, ob ich nie Kinder wollte und warum nicht. Sollte diese Entscheidung nicht einfach jedem selbst überlassen sein und zudem eben keiner Erklärung bedürfen? Warum muss das Frausein immer wieder mit Reproduktion gleichgestellt werden? Fragen, die sich mir wohl niemals komplett erschließen werden.

Anmerkung: Katharina ist Dozentin und Autorin, mehr von ihr – auch zu diesem Thema – könnt ihr hier lesen.

Jacky, 35

Ehrlich gesagt hat es mich immer genervt. Nicht weil ich keine Kinder wollte, sondern weil ich sehr jung geheiratet habe. Ich war damals 21 (inzwischen 35) und ich wollte erst meine Ehe genießen. Ich wollte diesen Druck nicht haben. Ich dachte immer mit 27 kann ich Mama werden (weil meine Mama mich mit 27 hatte). Das Leben hat sich aber geändert. Ich habe realisiert, ich muss nicht unbedingt Kinder haben um ein erfülltes Leben zu führen. Irgendwann haben mein Mann und ich beschlossen keine Kinder zu haben. Wir sind glücklich, so wie wir leben. Das versteht aber kaum jemand. Bei absolut jedem Familientreffen werde ich (nicht er) mit Fragen gelöchert warum, wieso, weshalb. Es ist soweit gegangen, dass mir gesagt wurde „Du weißt noch gar nicht, ob Du Kinder willst. Werde erstmal schwanger, nach 3 Monaten werden die Glückshormonen kommen und daaaannnn wirst Du ein Kind wollen“ … toll.

Es gibt so Vieles, das mich nervt bei der Frage, denn so Vieles ist mit dieser Frage verbunden. Uns wird vorgeworfen, wir seien egoistisch. Mir wird vorgeworfen, eine schlechte Partnerin zu sein. Was mich am meisten nervt? Dass absolut jeder glaubt eine Stimme in unserer Familienplanung zu haben.

Es ist die Gesellschaft, in der wir leben. Wenn ein Mann keine Kinder will ist es kein großes Thema, er wird auch deswegen nicht kritisiert. Wenn aber eine Frau keine Kinder will, das geht schon gegen die Natur. Unsere ganze Existenz wird in Frage gestellt. Andererseits, wenn eine Frau keine Kinder haben kann und alles Mögliche versucht, um endlich Mama sein zu können, dann „stimmt aber auch nicht was mit dieser Frau, sie ist „besessen“ und „egoistisch“.“

Veronika, 30

Ich bin selber letztes Jahr 30 geworden, bin Single und habe einen sehr großen Kinderwunsch. Generell ist das Thema bei mir gerade sehr präsent, da in meiner Umgebung alle Kinder bekommen. Da fühl ich mich als einziger Single und ohne Kinder oft als Versagerin. Anderseits möchte ich auch gerne Karriere machen und ins Management (ich bin in der IT Branche) und bin immer noch der festen Überzeugung, dass beides geht. Ich habe letztes Jahr im Herbst ein paar Eizellen eingefroren, um die Möglichkeit zu verlängern, irgendwann Kinder zu bekommen und wäre auch bereit, das alleine anzugehen. Mit der Behandlung musste ich mich noch um einiges mehr mit den Thema auseinandersetzen und war insofern auch geschockt, wie Singles hier behandelt werden. Aufgrund dessen, dass ich alleine war/ bin, dürfen mir in Deutschland zwar die Medikamente für die Hormonbehandlung verschrieben werden, ich muss diese aber im Ausland besorgen, das gleiche, wenn ich sie befruchten lassen wollte. Hier müssen die Spermien ebenfalls im Ausland besorgt werden, da man das als Single gesetzlich nicht alleine machen darf. Wenn ich einen Lebenspartner gehabt hätte oder haben würde & verheiratet bin, werden die Kosten übernommen und es darf eine deutsche Samenspende verwendet werden.

Grundsätzlich werde ich oft auf das Thema Familie und Kinder aufgrund meines Alters angesprochen – teilweise auch nur unterschwellig. Mein Chef hat mir zum Beispiel erst vor kurzem gesagt – auch wenn er es aus seiner Fürsorge gemeint hat – dass wenn ich mich weiterhin so einbringe in der Arbeit und anstrenge / viele Stunden arbeite – es nichts mit der Familie wird. Mich hat das sehr stark verletzt. Unabhängig davon dass es übergriffig war, kann ich das nicht Eins zu Eins in Relation setzen. Und mir als Vorwurf geben. Jeder Mann, der viel Arbeit bzw. Karriere macht wird beklatscht, als Versorger dargestellt und nicht eingebremst

Und zum Abschluss möchte ich noch ein weiterführendes Thema aufgreifen, zu dem ich einige Nachrichten bekam. Eine Leserin hat dies sehr gut in Worte gefasst und ihre ganz persönliche Geschichte geteilt, weshalb ich dieser weiterführenden Thematik hier in diesem Beitrag auch Raum geben möchte.

Simone*, 29

Ist erstmal das langersehnte 1. Kind geboren, wird von der Gesellschaft automatisch ein 2. Kind erwartet. Diese Erfahrung haben wir 4 Wochen nach der Geburt unserer Tochter erlebt.

Angefangen mit plumpen Kommentaren wie „Ein Kind ist kein Kind“, „Ein kleiner Bruder wäre doch noch nett“ oder „Schaut doch, dass ihr einen geringeren Altersunterschied habt, so haben die Kinder mehr voneinander“ bis hin zu sehr grenzwertigen Aussagen war alles dabei.

Wir hatten ein Frühchen, das per Notkaiserschnitt geholt werden musste. Anschließend lagen wir 2 Wochen getrennt voneinander auf der Intensivstation in verschiedenen Krankenhäusern. Nach dieser Erfahrung sind Kommentare wie „Ach, das muss euch doch nicht nochmal passieren“ oder „Schau doch, dass du beim nächsten Mal ’natürlich‘ gebärst, das ist ein viel schöneres Gefühl“ wie ein Schlag ins Gesicht gewesen. 

Auch hier wird keine Rücksicht genommen und aus allen Richtungen wird völlig unüberlegt und mit wenig Empathie einfach drauf losgefragt bzw. kommentiert.

Jede Frau, jedes Paar setzt sich früher oder später mit der Kinderfrage auseinander und egal, ob man sich für kein Kind, ein Kind oder drei Kinder entscheidet. Man wird es der Gesellschaft nie recht machen können.

Hier könnt ihr Teil Eins dieses Artikels lesen!


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2 Kommentare

  • 17
    02
    2023
    23
    Jenny

    Danke für das Teilen dieser sehr persönlichen Geschichten. Ich werde wohl nie begreifen wie man dazu kommt den Lebensplan einen anderen Menschen zu bewerten (so lange dieser sich im rechtlichen Rahmen bewegt =) )

    Ich hoffe sehr das mein kleiner Sohn ( ja ich habe ein Kind. Eine sehr persönliche und übrigens überaus egoistische Entscheidung… das ist ein Kind nämlich immer) mal in einer toleranteren Welt lebt und sich wirklich frei von gesellschaftlichen Zwängen entfallen kann.

  • 21
    02
    2023
    23
    Stef

    Vielen Dank für diesen tollen Beitrag.
    Ich habe eine Tochter und wir möchten kein 2. Kind! Das wird auch leider nicht akzeptiert und ständig nachgefragt. Das arme Einzelkind. Ich selber habe auch keine Geschwister und habe es „überlebt“. Ich bin aber auch sehr ehrlich und wäre wahrscheinlich auch ohne Kind nicht unglücklich gewesen. Es ist tatsächlich ein Druck Kinder zu bekommen in der Gesellschaft. Wir sind sehr glücklich zu Dritt, aber in den Augen anderer kann es ja nicht sein und man „muss“ doch ein weiteres Kind(er) haben.

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