Im Rahmen der aktuellen Situation wird wohl kaum etwas so hitzig diskutiert wie die Corona-Schutzimpfung. Eine sehr präsente Frage: „Sollte es Privilegien für Geimpfte geben?“ Auch Jens Spahn hat vor rund einer Woche Geimpften Hoffnung auf mehr Freiheiten gemacht und sich dabei auf die Auswertung neuester Erkenntnisse durch das RKI bezogen.
Diese besagen, dass die Chance sehr gering sei, dass Geimpfte das Virus noch weitergeben können. Eine sehr wichtige und für die Zukunft ausgesprochen wertvolle Erkenntnis. Ist dies nun ein Anlass, Geimpften wieder ein halbwegs normales „vor Corona“-Leben zu ermöglichen? Zeit für eine neue Kolumne zu diesem durchaus sehr sensiblen Thema. Impfen: Ja oder Nein? Privilegien für Geimpfte: „Ja, unbedingt!“ oder „Nein, auf keinen Fall!“
Mein erster Gedanke im Bezug auf „echte Privilegien“ wie beispielsweise sofortige bedingungslose Reisefreiheit war: Zum jetzigen Zeitpunkt wäre solch ein Privileg in gewisser Weise unfair, da ja aufgrund der Priorisierungsgruppen ein riesengroßer Teil der Bevölkerung momentan noch überhaupt nicht die Möglichkeit hat, sich impfen zu lassen. In ein paar Monaten, wenn jeder ein Impfangebot hat? Definitiv etwas, das in Betracht gezogen werden sollte.
Zurück zu Jens Spahn, der vielmehr über die Gleichstellung von Geimpften und Negativ-Getetesten sprach. Geimpfte sollen Freiheiten zurückerlangen, die der Rest der Bevölkerung aktuell nur durch Tests erlangen kann. Ob jetzt die Testpflicht bei einem Geimpften wegfallen muss, wenn wirklich belegt ist, dass derjenige das Virus nicht mehr weitergeben kann, da frage ich mich: Warum muss über so etwas Logisches überhaupt diskutiert werden? Warum wertvolle Testkapazitäten „verschwenden“, wenn Geimpfte mit Negativ-Getesteten gleichzusetzen sind? Warum Menschen unnötig eine Quarantäne auflegen?
Nun kommt natürlich auch die Frage auf, ob Geimpften Möglichkeiten gegeben werden sollten, die andere auch mit einem Negativ-Test nicht erreichen können. Wie beispielsweise weitere Öffnungen. Innerdeutsche Hotels, die nur von Geimpften besucht werden dürften, Restaurants, Opernhäuser … Klingt im ersten Moment erst einmal sehr ungerecht, aber im Umkehrschluss würde dies doch bedeuten, dass es für so viele Branchen wirkliche Perspektiven gäbe. Immerhin gibt es mittlerweile eine beachtliche Menge an Menschen, die vollständig geimpft sind. Und diese wächst jeden Tag. Dadurch könnte nach und nach Vieles sicher öffnen. Existenzen könnten gerettet werden. Aber natürlich gäbe es dann auch viel „Ungerechtigkeit“, so auch in fast jeder Familie. Die Ü-70-Eltern dürfen plötzlich wieder ins Restaurant gehen, die Kinder in den Dreißigern noch nicht. Neid ist generell ein sehr hässlicher Bestandteil unserer Gesellschaft – und könnte damit natürlich gewaltig wachsen. Wie lange hält das Gefühl der Solidarität, bevor daraus Neid wird?
Ich würde mich von Herzen über mehr Freiheiten eben gerade für diejenigen freuen, die ein Jahr lang zum Teil noch viel mehr zurückgesteckt haben bzw. auch mit größeren Ängsten leben mussten. Hier denke ich auch an meinen Papa, für den die Impfung Anfang Januar eine Riesen-Erleichterung war. Aber klar, es wäre schon eine in gewisser Weise sehr ungünstige Situation, wenn er plötzlich wieder „alles darf“ und meine noch nicht geimpfte Mama nicht mit kann.
Ethisch gesehen sind das einige sehr schwierige Fragen. Vor kurzem las ich von der Kantine eines Seniorenzentrums nahe Freiburg. Alle Senioren sind mittlerweile zwei Mal geimpft, dürfen aber nach wie vor nicht an einem Tisch sitzen und gemeinsam essen. Ein Streitfall, der mittlerweile beim Bundesverfassungsgericht liegt. Dieser Fall verdeutlicht sehr, wie verzwickt die aktuelle Situation ist. Ja, es gibt eine Regel, die besagt, dass nur eine sehr begrenzte Anzahl an Menschen an einem Tisch sitzen darf. Warum? Weil die Eindämung der Pandemie an allererster Stelle steht und das Virus nicht übertragen werden soll. Geimpfte übertragen das Virus nicht. Finde den Fehler …
Abschließend noch ein paar Gedanken zur Impfung an sich: Ich persönlich werde mich selbstverständlich impfen lassen. Zum einen empfinde ich es in gewisser Weise als Pflicht gegenüber der Gesellschaft, um andere zu schützen, zum anderen sehe ich darin das einzig wirkliche „Licht am Ende des Pandemie-Tunnels“. Und ein weiterer, für mich privat und beruflich sehr wichtiger Aspekt: Ich möchte mich in nicht allzu ferner Zukunft wieder frei auf dieser Welt bewegen können.
Natürlich ist es jedem selbst überlassen, ob er sich impfen lässt. Ich verstehe Sorgen und Ängste. Nicht zuletzt nach dem ganzen AstraZeneca Chaos. Was ich aber so, so schlimm finde ist, dass sich so viele Menschen ihre Meinung anhand von völlig absurden Falschmeldungen bilden. Was ich in den vergangenen Monaten rund um die Impfung in den sozialen Medien gelesen habe, das lässt teilweise wirklich am Verstand vieler Mitmenschen zweifeln. Vermutlich wird man diejenigen, die nach wie vor denken, Bill Gates möchte uns allen einen Mikrochip zur Überwachung einpflanzen oder direkt die Hälfte der Menschheit töten, mit Fakten niemals erreichen. Aber die meisten Zweifler sind doch einfach nur extrem verunsichert, da man in den vergangenen Monaten so viel Negatives und oftmals schlichtweg Falsches gelesen hat. Hier müsste noch viel, viel mehr Aufklärungsarbeit betrieben werden.
So, und nun übergebe ich das Wort an euch. Lasst ihr euch impfen? Und wie denkt ihr über die möglichen Privilegien, die eine Impfung mit sich bringen könnte?