Ich habe ein bisschen überlegt, ob ich dieses Thema hier auf dem Blog besprechen möchte, denn ja, es ist durchaus kontrovers und wird gerade sehr hitzig diskutiert. Aber hey, es ist von Anfang an ein Bestandteil von Josie loves, dass hier auch einmal Themen mit Diskussionspotential angesprochen werden.
Nachdem ich den folgenden Text schon fast fertig geschrieben hatte, kam mir die Idee einer Instagram Umfrage. Denn ich war neugierig. Neugierig darauf, wie ihr das Thema wahrnehmt. Bei dieser kleinen Instagram Umfrage wollte ich gar nicht auf „das große Ganze“ eingehen, mich interessierten vielmehr für diesen Artikel zwei konkrete Fragen. Die erste Frage stellte ich übrigens nur an die Followerinnen, die zweite auch an die männlichen Follower:
1. Fühlt ihr euch als Frau außen vor gelassen, wenn ein Laden verallgemeinert die „Kunden“ anspricht, der Moderator die „Zuschauer“ etc.?
2. Geht ihr mit dem Thema bewusster/anders um, seit es so präsent in den Medien ist?
Das Feedback auf diese Umfrage war unglaublich. Nicht nur, dass es noch nie zuvor eine Umfrage mit so vielen Teilnehmern und Teilnehmerinnen gab, ich erhielt im Anschluss auch viele lange Nachrichten. In beide Richtungen. Pro und Contra Gendern. Teilweise mit sehr emotionaler Argumentation und vereinzelt auch mit Kritik an meiner Fragestellung, obwohl ich bewusst meine eigene Meinung in meiner Umfrage zurückgehalten habe.
Ich muss ehrlich sagen, dass ich mich bis vor nicht allzu langer Zeit auch als Frau automatisch immer angesprochen gefühlt habe, wenn der Moderator von den Zuschauern sprach, der Ladenbesitzer von den Kunden, die Arzthelferin von den Patienten. Nie machte ich mir Gedanken darüber, dass es sich hier um einen rein männlichen Plural handelt. Eine Haltung, die mir anerzogen wurde, mit der ich aufgewachsen bin. Aber, und das muss ich hier jetzt auch klar ansprechen: Ich bin in einem Umfeld aufgewachsen, in dem die Gleichberechtigung von Frauen und Männern immer absolut selbstverständlich war. Insbesondere meine Eltern haben mir in der Erziehung immer mitgegeben, dass ich auch als Frau ALLES erreichen kann. Deshalb habe ich hier nie weiter hinterfragt. Mir war immer klar, dass mit Patientien eben „wir alle“ gemeint sind und sicherlich niemand außen vor gelassen werden soll. Bei „die Ärzte“ dachte ich an Ärzte und Ärztinnen. Sprach ich von einer konkreten Person, war es natürlich immer männlich „der Arzt“ und weiblich „die Ärztin“. Aber ich wäre – bevor ich mich näher mit dem Thema beschäftigt habe – niemals auf die Idee gekommen, automatisch „die Ärzte und Ärztinnen“ zu sagen. Beim Singular unterschied ich selbstverständlich, beim Plural nicht.
Ein Beispiel: Ich habe hier auf Josie loves immer von den Bloglesern geschrieben. Obwohl Josie loves zu fast 90% weibliche Leserinnen hat. Aber für mich war „Leser“ eben immer der Überbegriff für alle. Weiblich, männlich, non-binär. Sprach ich von einer einzelnen weiblichen Person, war und ist es immer „die Leserin“.
Genau zu diesem Punkt bekam ich im Rahmen meiner Instagram Umfrage einige Nachrichten. Es ging darum, dass viele von euch den männlichen Plural auch als eben diesen wahrnehmen und mit dem generischen Maskulinum auch ausschließlich Männer verbinden. „Die Polizisten, die Lehrer, die Ärzte, die Anwälte, die Musiker, die Erzieher“ etc. Männer.
Mir war es schon immer wichtig, verschiedene Sichtweisen zu betrachten, mich weiterzubilden und mir kontroverse Meinungen anzuhören, bevor ich eine eigene Meinung in Stein meißle. Nichts finde ich schlimmer, als jemanden vorschnell abzustempeln oder sich aufgrund einer einzigen Meldung eine Meinung über ein komplexes Thema zu bilden. Es ist immer wichtig, zu hinterfragen, die eigene Meinung stets zu reflektieren, sich auch mal Kritik zu Herzen zu nehmen und in den Austausch mit seinen Mitmenschen zu gehen. Nur so kann man persönlich wachsen. Das mal als kleine Anmerkung zwischendurch.
Gendern ist so viel mehr als nur ein Sternchen. Und es ist mehr als „nur“ Sprache. Es geht darum, jede/n zu inkludieren. Und das ist ein Punkt, der schon immer unglaublich wichtig war, der aber in der heutigen Gesellschaft endlich die Aufmerksamkeit bekommt, den er seit jeher verdient hätte.
Zurück zum Sternchen. Ich finde Gendern gut und wichtig, aber ich finde das Sternchen (oder den Doppelpunkt, den Unterstrich oder das I -zusammengefasst „Gender-Gap“) in der Umsetzung schwierig. Warum? Es wird ja in diesem Zusammenhang momentan viel über das Thema Sprache debattiert und sich über diejenigen echauffiert, die sich über den schlechten Sprachfluss aufregen. Ich muss ehrlich sagen, dass auch ich diese Lösung im Sprachgebrauch nicht optimal finde. Ein Beispiel: so oft wird im TV die Pause zwischen dem Zuschauer —- innen nicht eingehalten und plötzlich klingt es nach der rein weiblichen Form, den „Zuschauerinnen“. Es ist schlicht und einfach in der Umsetzung schwierig. Aus der rein männlichen Form vermeintlich eine rein weibliche Form zu kreieren ist sicherlich auch nicht die Lösung.
Meiner Meinung nach wäre ein konsequentes „Zuschauerinnen und Zuschauer“ sinnvoller. Wobei sich hier eine andere Frage stellt: Wer wird in diesem Zusammenhang – wenn sich alles um die Gleichberechtigung dreht – zuerst genannt? Ist dies dann auch das Ende von „Ladies first“?
Oder wäre ein durchgehend geschlechtsneutraler Plural, der extrem viele Wort-Neuschöpfungen mit sich bringen würde, die Lösung? Sicherlich ein langwieriger Prozess.
Ein Punkt, den ich persönlich noch sehr wichtig finde: Die „echte“ Ungerechtigkeit findet nicht in der Sprache statt. Frauen werden in der Gesellschaft und insbesondere in vielen Jobs nach wie vor klar benachteiligt und das ist ein wirklich großes Problem. Durch flächendeckendes Gendern wird es nicht automatisch eine allumfassende Gleichberechtigung geben. Aber vielleicht – und hier wären wir eben doch wieder bei der Gendersprache – ist es eben doch ganz genau der richtige und wichtige Auslöser. Der kleine Schubs, den die Gesellschaft braucht. Ein konsequentes Verankern in den Köpfen, dass es Managerinnen und Manager gibt. Geschäftsführer und Geschäftsführerinnen. Professorinnen und Professoren. Richter und Richterinnen. Immer und immer wieder. Es ist ein Prozess. Vielleicht erreicht man damit nur einen Teil der älteren Generationen. Aber mit Sicherheit einen Großteil in unserer Generation. Und ganz gewiss in der Generation, die gerade nachkommt.
Gendern ist wichtig und richtig. Und es tut niemandem weh, „Zuschauerinnen und Zuschauer“ zu sagen. Aber es ist eben auch eine Gewöhnungssache und braucht Zeit. Wie überall gilt: jeder sollte sein Bestes versuchen und niemandem ist geholfen, wenn andere ständig bis ins letzte Detail kritisieren. Manchmal muss man auch einfach mal den Ball flach halten. Hier musste ich auch an meine Kolumne „Über den Social Media Pranger und Shitstorms mit schlimmen Folgen“ denken. Denn auch beim Thema Gendern artet die Kritik momentan manchmal ziemlich aus.
Veränderung passiert nicht nur – aber auch – durch die Sprache. Noch wichtiger als die Sprache sind meiner Meinung nach jedoch die Rollenbilder. Die Polizistinnen, die Feuerwehrfrauen, die Richterinnen, die Professorinnen, die Politikerinnen, die jungen Mädchen zeigen: „Das kann ich auch werden!“
Gendergerechte Sprache: Richtig und wichtig? Oder total übertrieben? Ich freue mich wie immer sehr über eure Gedanken in den Kommentaren!