Ich liebe es, mir Street Style Bilder anzusehen. Und nie sieht man so viel geballte modische Kreativität auf den Straßen wie während einer Fashion Week. Die eh schon für ihren guten Stil gefeierte Fashion Crowd setzt noch einmal eine Schippe drauf und man kann rund um die Fashion Shows ein wahres Mode-Feuerwerk bestaunen. Nicht nur ich bin Fan von Fashion Week Street Styles, sie sind aus den Magazinen nicht wegzudenken, ganze Blogs widmen sich diesem Thema und die Street Style Foto-Strecken gehören regelmäßig zu den meistgeklickten Beiträgen auf Josie loves. Nicht wenige Blogger sind erst durch die von ihnen geknipsten Street Style Fotos auf Fashion Weeks zu Stars geworden. Sobald eine Chiara Ferragni auftaucht, drehen die Fotografen fast durch und schießen die Bilder, die danach weltweit in den Medien zu sehen sind. Grund genug für Labels, Chiara und Co zu hofieren und mit Outfits für die Fashion Week auszustatten. Dass die “ganz Großen” oftmals in Komplett-Looks der Labels auftauchen und ab und zu die eigene Kreativität hintenanstellen, ist kein Geheimnis. Aber klar, ein Komplett-Look von einem großen Designer, bestenfalls noch aufgepeppt mit DER Sonnenbrille der Saison, funktioniert natürlich immer. Insbesondere Anna Dello Russo ist dadurch berühmt geworden. Und wir schauen uns diese Looks wiederum immer sehr gerne an.
Der große Ruhm, das eigene Gesicht in jedem Magazin und Berge von geschenkter Designer-Kleidung, der große Traum von vielen Mädchen. Und wie kommt man der Erfüllung dieses Traums ein bisschen näher? Indem man während einer Fashion Week entdeckt wird, am besten vor die Kameras von Scott Schuman, Bill Cunningham oder Tamu McPherson läuft und dieses eine ganz besondere Bild entsteht. Es ist nichts Neues und wurde schon auf zahlreichen Blogs thematisiert, dass daraus ein wahres Business entstanden ist. Viele Mädels planen wochenlang ihre Outfits und laufen in Paris, Mailand und New York stundenlang vor den Fashion Week Locations auf und ab, auf und ab, auf und ab. Oftmals auch ohne überhaupt eine Einladung für die jeweilige Show zu haben. Nur um gesehen und hoffentlich möglichst oft fotografiert zu werden. Da Chris alle Street Styles für uns fotografiert, setze ich mich meist etwas abseits hin und beobachte den wilden Trubel und die geballte modische Inspiration mit etwas Distanz. Das ist eindeutig besser als Kino. Auch viele sehr bekannte Bloggerinnen kommen oftmals mit einen großen Tamtam angelaufen, perfekt gestylt, um dann vor der Location zu posieren. Und danach nicht in die Show zu gehen. Viel wichtiger als die Show ist ja das Selfie vor der Show und das Street Style Bild, das danach überall auftaucht. Telefonate werden inszeniert, damit auch ja die schönen, neuen suuuuperangesagten Handyhüllen auf den Bildern auftauchen. Am liebsten laufen die Damen übrigens in Grüppchen, bestenfalls modisch aufeinander abgestimmt. Und dann geht der Zirkus los. Die Meter zum Eingang werden zurückgelegt, es wird posiert, telefoniert, und wieder geht es über den gesamten Platz zurück, eine “Freundin” wird begrüßt, zusammen läuft man wieder zum Eingang und so weiter und so fort. Vorgestern war es wieder einmal so weit und Chris und ich nutzten die Zeit nach einem Termin in der Nähe und machten uns zum Lincoln Center auf, um vor einer großen Show ein paar Street Styles zu knipsen. Ich setzte mich gemütlich mit einem Eistee auf den Rand des Brunnens, um dem bunten Treiben zuzusehen. Und plötzlich setzte sich ein älterer Mann neben mich. Ich möchte nicht herablassend klingen, aber man merkte, dass dieser Mann rein gar nichts mit dem Thema Mode zu tun hatte. Und er hielt mir seine kleine Digicam fast mitten ins Gesicht, als er mich knipste. Ich fragte ihn, was das solle und dass er das bitte lassen solle. Peinlich berührt tigerte er wieder ab und hielt mit verstrahltem Blick seine Kamera auf absolut jede junge Frau, die an ihm vorbei stöckelte. Es ging ihm nicht um die Mode, er zoomte jedes Mal auf die Gesichter. Ich habe schon öfters erlebt, dass in Paris oder New York Touristen ein paar Fotos geknipst haben, vermutlich, um zuhause ein paar Bilder von “dieser Modewelt” zu zeigen, aber bei diesem Herren war ganz klar, dass er diese Bilder wohl für andere Zwecke nutzen würde. Kurz darauf kam der nächste Herr, mit Schweiss im Gesicht, gierigem Blick und einem Handy in der Hand und fragte, ob er mich fotografieren dürfte. Ich war an diesem Tag lässig angezogen, da es extrem heiß war und ich für einige Termine viel laufen musste, und konnte beim besten Willen nicht annähernd mit den aufgebretzelten Fashionistas mithalten. Klingt hart, aber in diesem Falle kommt in New York kein “echter” Street Style Fotograf auf die Idee, dich zu knipsen. Das hatte ich ja auch nicht vor, ich wollte einfach nur in Ruhe auf dem Brunnen sitzen und all die modische Inspiration bewundern. Was sich mir bot war neben einigen wirklich grandiosen Looks (die ich euch demnächst zeigen werde) allerdings ein bizarres Schauspiel. Waren es während vergangenen Fashion Weeks “normale” Schaulustige, war dieses Mal alles voller eigenartiger Männer, die mit teilweise völlig irrem Blick ihre Kamera auf die Brüste, Füße (Hier kann man sich seinen Teil jetzt denken) und Gesichter junger Mädchen richteten. Das Allerschlimmste jedoch waren die Mädels, die für diese Männer posierten, ohne zu hinterfragen, warum der Mann sein Objektiv seiner Mini-Cam (alle “richtigen” Fotografen haben große Kameras) so gar nicht auf den Look richtete und von welchem Magazin er denn beauftragt sei. Es könnte sein, dass ja genau DAS das Foto ist, das mal in DEM Magazin landet. Ist die Hoffnung auf das kleine bisschen Ruhm so viel wert, dass man dafür seinen gesunden Menschenverstand ablegt? Klar, eine Star-Bloggerin kann nicht verhindern, wenn 50 Objektive gleichzeitig auf sie gerichtet sind, dass auch der ein oder andere Herr mit etwas anderen Absichten mitfotografiert. Aber wie kann man nur mit solch einem Mann in eine ruhige Ecke gehen (Das ist tatsächlich mehrmals passiert!), ohne zu hinterfragen, für wen er eigentlich fotografiert? Mir kam es tatsächlich so vor, als gäbe es eine Art Forum, in der mit dem Zusatz “Hey, hier kannst du all die leichtbekleideten, hübschen Mädels fotografieren, ohne gleich Ärger mit der Polizei zu bekommen.” die Fashion Week Locations bekanntgegeben werden. Ich konnte es tatsächlich nicht fassen, als direkt neben mir zwei definitiv minderjährige, viel zu sehr aufgestylte Mädels vor einem Mann mit Digicam posten, sich von ihm zu einer eigenartigen Pose nach der anderen auffordern ließen, bis über beide Ohren das “Ich werde berühmt”-Lächeln strahlten und sich nach der absurden Session bei ihm bedankten. Ob diese Bilder nun in der nächsten Ausgabe der amerikanischen VOGUE auftauchen? Man weiß es nicht …