Erst einmal ganz lieben Dank an die Josie loves Leser rund um den Erdball, die mir bis jetzt auf meinen Aufruf geschrieben und von ihrem „Alltag in Corona Zeiten im Ausland“ erzählt haben. Ich finde es unglaublich spannend zu lesen, wie die Maßnahmen variieren, wie unterschiedlich der Alltag sich in verschiedenen Ländern gestaltet und wie ihr den Vergleich zu Deutschland empfindet. Und an all diejenigen, die im Ausland leben, Lust haben, Part dieser Artikel-Serie zu sein, und sich noch nicht gemeldet haben (Ich würde mich by the way noch sehr über die Teilnahme einer Josie loves Leserin aus New York oder Kalifornien freuen!): Schreibt mir sehr gerne eine Nachricht an sarah@josieloves.de, dann sende ich euch ein paar Fragen.
Eine Person, die ich unbedingt für diese Serie gewinnen wollte, ist meine liebe Freundin Josephine alias „Josi“. Wir lernten sie und ihren Mann Tobi im Rahmen unserer Weltreise 2014 über gemeinsame Freunde („Wenn ihr in Singapur seid, müsst ihr euch unbedingt treffen. Ihr versteht euch bestimmt super!“ Recht hatten sie!) kennen und treffen uns seitdem immer mindestens zwei Mal im Jahr irgendwo auf dem Erdball – meist aber in Deutschland oder auf unserer Lieblingsinsel Bali.
Josephine und ihr Mann Tobias
Als wir uns im Januar diesen Jahres in Singapur das letzte Mal sahen, hätte wohl niemand von uns gedacht, wie sich die Situation nur kurz darauf verändern würde. Und wie sehr 2020 uns alle herausfordern würde …
In den letzten Monaten haben Chris und ich regelmäßig über Face-Time mit Josi und Tobi über die aktuelle Situation gesprochen und ich fand es so interessant, was die beiden von Singapur erzählten. Für Josie loves habe ich Josi einige Fragen gestellt, die sie mir sehr ausführlich für euch beantwortet hat. By the way mit dem Zusatz „Kürze, wie du magst!“
Aber nein, hier habe ich gar nichts gekürzt, denn ich bin mir sicher, dass die Antworten im Ganzen für euch eine genauso interessante Lektüre sind, wie sie es für mich waren. Und deshalb starte ich im ersten Teil unserer „2020 im Ausland“-Artikelserie nicht mit mehreren, gebündelten Erfahrungsberichten aus verschiedenen Ländern, sondern mit Josi und der Situation in Singapur.
1. Wie würdest du dich selbst in zwei Sätzen vorstellen?
Ich heiße Josephine und lebe mit meinem Mann und unserer Katze in Singapur. Ich bin ein kreativer Kopf der nie still steht, habe eine große Leidenschaft fürs Reisen und bin Gründerin von TheAsiaCollective.com, ein Online Reisemagazin und eine Digitale Marketing Agentur.
2. Seit wann lebst du im Ausland und wie kam es damals zu deiner Auswanderung?
Ich lebe bereits seit 8 Jahren hier, und bin der Liebe wegen nach Singapur gezogen. Ursprünglich waren nur 2 Jahre geplant, und seitdem sagen wir jedes Jahr, dass wir im nächsten Jahr zurück nach Deutschland gehen. So langsam glaubt uns wahrscheinlich keiner mehr, aber nächstes Jahr kommen wir wirklich zurück! :)
3. Welche Auswirkungen hatte Corona in Singapur auf deinen Alltag? Wie hast du die letzten Monate empfunden?
Wie für viele andere waren die letzten Monate nicht einfach. Als bei uns im April der 2-monatige Lockdown kam, hatte ich quasi schon seit Januar unser Apartment kaum verlassen, da ich mir Ende Dezember im Skiurlaub das Bein gebrochen hatte. Als dann auch noch unser Umsatz von heute auf morgen komplett eingebrochen ist, war das erste halbe Jahr für mich nicht nur physisch sondern auch psychisch eine Herausforderung.
Die Angst um die eigene Firma, in die man jahrelang sein Herzblut gesteckt hat, und die Ungewissheit wie es weitergeht, war im Nachhinein betrachtet das, was mich am meisten belastet hat.
Inzwischen ist die Lage nicht mehr ganz so angespannt. Unsere Marketing Agentur haben wir auf neue Branchen außerhalb der Reiseindustrie ausgerichtet und das Online Magazin erweitern wir kontinuierlich mit neuen Kategorien. Die Reiseindustrie wird noch sehr lange brauchen um sich komplett zu erholen, daher müssen wir uns umorientieren und in gewisser Weise neu erfinden. Im privaten Alltag haben wir uns mit den Maßnahmen arrangiert, obwohl es natürlich kein schönes Gefühl ist, nicht mehr reisen zu dürfen, Weihnachten nicht bei unserer Familie verbringen zu können und quasi hier auf vorerst unbestimmte Zeit „eingesperrt“ zu sein. Singapur ist ein kleiner Stadtstaat mit der Fläche von Hamburg, wo im Moment kaum jemand rein- oder rauskommt.
4. Wie ist der aktuelle Stand bei euch?
Es gibt so gut wie keine COVID Fälle mehr in Singapur. Wir haben nur noch zwischen 0-2 neue Fälle am Tag – bei 5.5 Millionen Einwohnern. Dennoch wurden die Maßnahmen seit Endes des Lockdowns im Juni kaum gelockert. Bei uns herrscht strenge Maskenpflicht sobald man das Haus verlässt; man darf insgesamt nur zu fünft sein, wenn man sich außerhalb trifft. In seine Wohnung darf man bis zu 5 Personen einladen; man muss überall elektronisch mit dem Handy/ QR Code einchecken, wenn man ein Gebäude betritt (oder mit seinem Ausweis), Restaurants schließen um 22:30Uhr; Bars und Clubs sind seit April geschlossen und bleiben es vorerst weiterhin.
Selbst öffentliche Plätze wie den Strand, muss man vorab „buchen“ um sich dann in einem ausgewiesenen 2 x 2 Meter Bereich aufzuhalten. Singapur hat eine Zero-Toleranz Policy und wir würden uns hier niemals wagen uns nicht an die Regeln zu halten. 6 Freunde daheim zu empfangen anstatt 5? Das kostet uns hier $20.000, den sofortigen Verlust der Arbeitserlaubnis, Verweisung des Landes innerhalb 24-48 Stunden, und ein dauerhaftes Einreiseverbot.
Die Maske vergessen wenn man nur kurz den Postboten vor dem Haus empfangen hat? Da schaue ich mich panisch um, ob mich nicht gerade ein Nachbar über die “Spy App” meldet, die die Regierung hier erlassen hat, um Verstöße von Mitbürgern schnell und effizient zu melden.
Beim Thema Reisen sind fast ausschließlich nur Business Trips erlaubt, die nur essentiellen Berufen vorbehalten sind und wofür man vorab eine Genehmigung braucht. In Fällen, in denen man aufgrund von familiären Notfällen (Krankheit, Beerdigung etc.) ausreisen muss, kann man eine Art „compassionate leave“ beantragen. Hat man keine Genehmigung eingeholt, führt dies zum Verlust der Arbeitserlaubnis und zum lebenslangen Einreiseverbot. Unabhängig von der Natur der Reise, muss man bei der Wiedereinreise seine Quarantäne selbst zahlen, die sich auf $2000 pro Person beläuft und die 14 Tage in einem zugeteilten Hotel abgehalten werden muss.
Einzige Ausnahme: gestern wurde die Singapur – Hongkong Travel Bubble bekannt gegeben, wo Einwohner aus Singapur nach Hongkong reisen dürfen und umgekehrt. Ab dem 22. November wird es täglich einen Flug in jede Richtung geben, der zunächst auf 200 Personen beschränkt ist. Man muss insgesamt 3 COVID Tests machen, vor der Abreise aus Singapur, bei der Ankunft in Hongkong und vor der Abreise aus Hongkong. Die Kosten dafür belaufen sich auf ca. $350 pro Person. Die Travel Bubble wird aufgehoben, sobald es mehr als 5 (!) COVID Fälle pro Tag gibt, die nicht nachverfolgt werden können.
Offiziell befinden wir uns seit Anfang Juni in Phase 2 (Phase 1 war der Lockdown, hier „Circuit Breaker“ genannt). Bevor Phase 3 beginnt, möchte die Regierung eine noch höhere Rate der Token Nutzung – eine Art Tracker die man am Körper trägt – und der Tracking App stimulieren, um lückenloses Tracking der Bevölkerung zu garantieren (wobei 98% aller Fälle bereits nachverfolgt werden können). Phase 3 bedeutet voraussichtlich weiterhin erhebliche Einschränkung im Bereich Reisen – und soll länger als ein Jahr andauern.
5. Verfolgst du die Lage in Deutschland? Welche Vor- und Nachteile im Umgang mit der aktuellen Situation siehst du zu Singapur?
Dadurch, dass unsere Familien und Freunde in Deutschland sind, sind wir natürlich immer gut informiert. Die letzten Monate habe ich oft wehmütig nach Deutschland geschaut. Als Freunde nach Griechenland, Italien oder einfach nur in die Berge oder ans Meer gefahren sind, wirkte Deutschland und die Lebensqualität dort, so attraktiv wie nie. Natürlich hat sich die Lage mit dem erneuten Lockdown inzwischen geändert, aber meine Sehnsucht, bei Familie und Freunden zu sein, ist weiterhin groß. Singapur ist extrem streng und einschränkend, und wird es auch noch für lange Zeit so bleiben, obwohl COVID hier kaum mehr existent ist. Unter diesem Gesichtspunkt sind viele Maßnahmen schwer nachzuvollziehen.
Ich denke, Deutschland hätte die 2. Welle eventuell durch ein besseres Tracking, striktere Quarantäne Maßnahmen und eine strengere Maskenpflicht vermeiden können. Ein gesunder Mittelweg zwischen Singapur und Deutschland erscheint mir als die ideale Lösung. Andererseits bin ich mir bewusst, dass sich vieles in Deutschland nicht so leicht implementieren lässt, wie in einem Stadtstaat wie Singapur, der in vielerlei Hinsicht mehr eine Autokratie als Demokratie ist.
Ich sende deinen lieben Lesern viel positive Energie für die nächsten Wochen und viel Kraft und Durchhaltevermögen den Unternehmen, die es in dieser Zeit besonders schwer haben!
Danke, liebe Josi, das wünsche ich dir auch! Und ich hoffe so auf ein baldiges Wiedersehen!
Mehr von Josi findet ihr auf Instagram unter @phineloves und natürlich auf TheAsiaCollective.com!
Bilder: Josephine Meister